Auf Couchtour
imaginären Freund und muss mich von einem alten Zausel, seinem Dackel und zwei dumpfputigen Kolleginnen traktieren lassen. Ich halte keine Diät länger als zwei Tage durch und bin pleite! Wenn ich außerhalb meines so wahnsinnig spannungsgeladenen Alltags etwas erleben möchte, lege ich mich hin und träume davon. Tolle Wurst, ich bin wirklich zu beneiden.«
»So meinte ich das nicht, entschuldige. Ich wollte damit nur sagen: Du hast einen Plan, eine Zukunft, und so, wie ich dich kenne, den nötigen Ehrgeiz, das durchzuziehen. Du darfst für dich selbst entscheiden. Ich beneide dich darum.«
»Dazu hast du auch allen Grund. Ich bin schließlich Rita Engel, die Frau mit dem glücklichen Händchen und dem angeborenen Instinkt für das einzig Richtige.« Darüber müssen wir beide lachen – zum Glück, die Stimmung war kurz davor, umzukippen. Während ich Charline so betrachte, schießt mir plötzlich eine Idee durch den Kopf.
»Charline.«
»Was?«
»Wir machen das zusammen.«
»Was?«, echot mein begriffsstutziges Gegenüber.
»Das mit der Praxis. Was hältst du davon? Ich kümmere mich um die Therapie, du um Anmeldung und Bürokram. Wir beide, das Dreamteam – wie früher! Das schaukeln wir schon, Charline!«
»Ich weiß nicht, meinst du?« Eine rhetorische Frage. An ihrem breiten Grinsen sehe ich, dass sie sich bereits dafür entschieden hat. Ich höre, wie es in ihrem Kopf rattert. Ein klassischer Charline-Sprung von Unzufriedenheitsphase eins in Phase drei. Bernd wird mich umbringen.
»Na?«
»Ich bin dabei!«, poltert es aus ihr heraus. Charline packt mich bei den Schultern. Sie ist Feuer und Flamme. Sag ich doch! So läuft das bei ihr, immer mit Hauruck. Nicht die Praxis an sich, sondern, dass wir nun beide die Sache gemeinsam angehen werden, ist die beste Idee, die ich je hatte. Warum bin ich erst jetzt darauf gekommen?
»Abgemacht. Charline und Rita …!«
»Rita und Charline. Wo die eine auftaucht, ist die andere nicht weit. Schlag ein, Partner.« Wir klatschen ab. Ich bin total aufgeregt. Sollte mich jemals jemand fragen, wie ich Glück definiere, würde ich ihm diesen Moment beschreiben. Ich schlucke, damit ich nicht anfange zu flennen.
»Was Bernd wohl dazu sagt?« Charline gluckst vor sich hin, während sie sich sein Gesicht vorstellt. Wir haben, wie es scheint, beide das gleiche Bild vor Augen, ich stimme mit ein.
Ich sehe ihn schon fluchend in meinem Wohnzimmer herumspringen – zum Glück ist er kein Rumäne …
»Mach dir keine Sorgen, ich krieg das hin. Ich rede gleich heute Abend mit Bernd und den Kindern. Ich behaupte, dass es meine Idee war – sie kommen schon irgendwie damit klar –, irgendwann.«
»Ich bin gespannt.«
»Verlass dich auf mich, Rita. Ich will es unbedingt.«
»Ich auch.«
»Hast du schon eine Idee, wo wir unsere Praxis eröffnen könnten?«
»Vorgestern hing ein Schild im Schaufenster des Akustik-Shops nebenan: ›Geschäftsaufgabe, Ladenfläche zu vermieten‹, mit Telefonnummer. Ich habe da angerufen und ein Exposé der Räumlichkeiten angefordert.«
»Genial!«
»Es ist bestimmt in der Post, die ich vorhin geholt habe. Die wollten es gleich abschicken.«
»Zeig her!« Charline schubst mich zur Seite, ich sitze nämlich drauf. Sie guckt auf die Absender und schüttelt enttäuscht den Kopf.
»Nein, nichts dabei, es sei denn, der Vermieter ist der Baumarkt in der Parkstraße. Der andere Brief ist vom ADAC.«
»Der Baumarkt in der Parkstraße? Unser Baumarkt?« Wir lächeln uns an.
»Das ist garantiert das neue Prämienprogramm. Mal sehen, ob etwas für unsere Praxis dabei ist.« Ich reiße den Umschlag auf. Mir stockt der Atem, als ich die ersten Zeilen überfliege.
»Charline!« Ich kralle meine Finger in ihren Oberschenkel.
»Was ist?«
»Charliiiine!«
Ich weiß, Sie werden es mir nicht glauben, und ich kann es Ihnen nicht einmal verübeln. Für mich ist die Wahrheit reine Auslegungssache, ich habe mich Ihnen in der Hinsicht offenbart. Wenn Sie jetzt denken, ich würde mir wieder etwas zurechtschummeln, um dem Ganzen noch einen drauf zu setzen, habe ich mir das selbst zuzuschreiben.
Es klingt einfach zu unglaublich, um wahr zu sein, aber ich schwöre bei allem, was mir heilig ist. Hier steht es schwarz auf weiß, und ich lese es laut vor:
»Ihre Baumarkt-Treue zahlt sich aus!
Herzlichen Glückwunsch, Frau Engel!
Wir belohnen Sie mit einem zweitägigen Aufenthalt in London für zwei Personen …«
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