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Auf den Inseln des letzten Lichts

Auf den Inseln des letzten Lichts

Titel: Auf den Inseln des letzten Lichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Lappert
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Pulverkaffee. Das Kratzgeräusch war nicht mehr zu hören, jetzt summte ein dicker Käfer durch die Halle und stieß ab und zu gegen eineWand. Tobey verschlang die Nudeln mit Heißhunger, danach trank er den Kaffee und aß einen Keks aus einer Packung, auf der ein chinesischer Drachen abgebildet war. Er setzte sich auf die Tischplatte, zog die Schuhe aus und stellte sie ans Fußende, Geschichten von Skorpionen im Kopf, die sich nachts eine Bleibe für den Tag suchten. Hemd und Hose rollte er zusammen und benutzte das Bündel als Kissen. Der Käfer, ein kleiner schwarzer Hubschrauber, surrte über ihm. Vielleicht suchte er das Loch im Dach, den Weg hinaus ins Offene, wo jetzt ein Wind zu wehen begann.
    Er war müde, aber schlafen konnte er nicht. Die Männer, in deren Boot er gekommen war, hatten ihn in radebrecherischem Englisch vor der Insel gewarnt. Einer hatte von Lichtern erzählt, die in manchen Nächten zu sehen waren, von Schmugglern, islamischen Extremisten und Piraten. Der Älteste der drei hatte gar nichts gesagt. Er hatte schwarzes Kraut in gerolltem Zeitungspapier geraucht und Tobey nur angesehen, wie man jemanden ansieht, der verloren ist und es weiß und nichts gegen sein drohendes Ende unternimmt.
    Tobey setzte sich auf und schaltete die Taschenlampe ein, deren Licht innerhalb von Sekunden hunderte kleiner Mücken anzog. Es war still im Schuppen, der Käfer war fort oder ruhte sich irgendwo aus. Tobey erwog, das Moskitonetz aufzuhängen, aber die Balken verliefen hoch oben, und er hatte vergessen, Schnur mitzunehmen. Der Alte fiel ihm wieder ein. Bestimmt bedachte er jeden, der leichtsinnig genug war, an Deck seines Bootes zu kommen, mit diesem Blick, in dem verschlagene Weisheit lag, und, ein Blinzeln später, dumpfe Beschränktheit. Die Tatsache, dass der Mann immer wieder und ohne ersichtlichen Grund grinste oder die Hände verwarf und vor sich hin murmelte, als würde er beten, mit seinem schäbigen Kahn nicht abzusaufen, legte sogar die Vermutung nahe, er sei verrückt oder ein Trinker oder beides. Vielleicht hatten die Männer ihn nur einschüchtern wollen; sie verstanden nicht, was ein bleicher europäischer Jüngling hier verloren hatte, hunderte Kilometer von Manila und dem nächsten annehmbaren Hotel entfernt. Sie hatten gestaunt und gescherzt über ihren seltsamen Passagier, sich möglicherweise wirklich um sein Wohlergehen gesorgt, aber sein Geld für die Überfahrt hatten sie trotzdem genommen, und auch den Vorschuss dafür, dass sie ihn in drei Tagen wieder abholten.
    Tobey schlüpfte in die Schuhe, kramte die Zahnbürste aus dem Koffer und putzte sich die Zähne. Mit einem halben Becher spülte er den Mund aus, das restliche Wasser aus dem Topf trank er, obwohl es noch lauwarm war. Plötzlich hörte er Stimmen, und für Sekunden setzte sein Herz aus. Er atmete nicht, bewegte sich nicht, dann erst wurde er sich des Lichtscheins bewusst, in dem er saß, und machte die Taschenlampe aus. Zwei Männerstimmen, die Tagalog sprachen, drangen durch die Blechwände. Einer der Männer rief seine Sätze in hohen, melodischen Tönen, fast singend, der andere brummte gelegentlich zurück, tief und lustlos. Tobey rührte sich noch immer nicht. Der Puls hämmerte so laut in seinem Kopf, dass er überzeugt war, man könne die Schläge hören in den kurzen Augenblicken der Stille, wenn keiner der beiden Männer etwas sagte und das Geräusch ihrer Schritte vom weichen Boden geschluckt wurde. Er suchte die Bodenbretter nach der Eisenstange ab, über die er vor einer Weile gestolpert war und die ihm als Waffe tauglich schien, tauglicher jedenfalls als ein Messer. Die hohe Stimme drang ein paar Meter entfernt durch das Blech, das Brummen war noch näher, klang noch gelangweilter. Die beiden Männer bewegten sich an der Außenwand entlang, gemächlich, während die Insekten schwiegen und die Bäume ihr Rauschen unterbrochen hatten und die Ruhe vollkommen war, gestört nur vom Plappern des Mannes, der möglicherweise ein halbes Kind war, der Sohn des Brummenden. Vater und Sohn, dachte Tobey erleichtert eine Sekunde lang, blieb jedoch sitzen und starrte auf die armlange Eisenstange, die wenige Schritte vor ihm lag, vierkantig, schwarz gestrichen, wirklich gefährlich aber nur in der Hand von jemandem, der nicht zögerte, einen Schädel damit einzuschlagen.
     
    Irgendwann waren die Stimmen verschwunden. Nach einer Weile setzte das Knarzen und Zirpen der Insekten wieder ein, der Käfer hob zu einem neuen Flug an

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