Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
bestehen sollte.
Um 1860 war auch der Engländer Norman Lockyer zunehmend von der Spektroskopie fasziniert. So konnte er selbst kosmische Objekte und deren Zusammensetzung mit seinem kleinen Teleskop von nur 16 cm Öffnung studieren. Wie auch dem Franzosen Pierre Jannsen fiel ihm 1868 eine bisher unbekannte, nicht identifizierte, relativ starke Linie im Spektrum der Sonnenkorona auf, die sich ganz in der Nähe der Fraunhofer’schen Natrium-D-Linien bei 588 nm im gelben Spektralbereich befand. Lockyer schlug dementsprechend vor, dass diese »gelbe« Linie auf ein noch unbekanntes Element in der Sonne zurückzuführen sei. Er benannte das Element nach dem griechischen Wort für Sonne (Helios) »Helium«. Auf der Erde wurde Helium, das zweitleichteste aller Elemente, erst ca. zehn Jahre später gefunden. Es ist ein schönes Beispiel dafür, wie die Sternspektroskopie die Entdeckung eines neuen Elements herbeiführte.
Der Schweizer Mathematiker Johann Balmer entdeckte 1885 dann noch, dass die vier starken Absorptionslinien von Wasserstoff, dem leichtesten Element, im sichtbaren Licht sowie anschließend schwächere im ultravioletten Bereich eine zusammenhängende Serie von Linien bilden. Deren Wellenlängen lassen sich durch eine einfache mathematische Formel beschreiben. Der Schwede Johannes Rydberg entwickelte unabhängig hiervon 1888 eine allgemeinere mathematische Beschreibung, die sich auch auf andere Linienserien des Wasserstoffs im ultravioletten und infraroten Bereich anwenden lässt. Die »Balmer«-Serie des Wasserstoffs wird auch heute so genannt, und mit der Rydberg-Formel können Wellenlängen der Linien des Wasserstoffs und weiterer Elemente leicht berechnet werden. Ganz generell sind die Wasserstofflinien in vielen Sternspektren die am stärksten ausgeprägten Linien in jedem Sternspektrum, so dass diese neuen Berechnungen wesentlich zur Interpretation der Spektren beigetragen haben.
Mit dem Aufkommen dieser neuen, ungeheuren Datenmengen zur Spektroskopie von Sternen und anderer Objekte war ein sehr wichtiger Schritt getan, nicht nur in der Astronomie und den Naturwissenschaften generell, sondern auch bezüglich des damaligen Weltbildes: Die Spektroskopie ermöglichte nun, fremde, weit entfernte Objekte am Himmel und deren Zusammensetzung zu studieren. Die Lichtanalyse war auf einmal in der Lage, diese Weiten scheinbar mühelos zu überbrücken. In diesem Sinne war man in die Lage versetzt worden, sich die Sterne vom Himmel zu holen.
2.2. Dem Licht auf der Spur
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts benutzte man die Spektrallinien schon fleißig zu Analyse- und Klassifikationszwecken – wie sie entstehen, war aber immer noch ein Rätsel. Es gab viele Phänomene, die immer neue Fragen aufwarfen: Warum hatte jedes chemische Element sein charakteristisches Muster an Spektrallinien? Warum erschienen manche Linien scharf, andere dagegen diffus? Eine ganze Reihe von Wissenschaftlern beschäftigte sich deshalb mit der Natur der Atome. Das Ergebnis waren verschiedenste neuartige Konzepte, die letztendlich zur Quantenmechanik führten.
Der Wunsch, die Natur der großen Sterne zu erklären, welche mit Hilfe der Spektroskopie ja nun zum Greifen nahe war, führte viele zeitgenössische Wissenschaftler in die entgegengesetzte Richtung, zu den kleinen Atomen. Die Zeit schien reif, sich der Frage zu stellen, »was die Welt im Innersten zusammenhält«. So wendete sich schnell das Blatt: Nach den früheren Experimentatoren wie Fraunhofer traten bald die Theoretiker in den Vordergrund. Sie erforschten nun mit Köpfchen, Stift und Papier den sich vor ihnen auftuenden Mikrokosmos. Dies sollte auch Auswirkungen auf die Erforschung des Makrokosmos, also die Astronomie, haben.
Schon um 1890 herum hatte der deutsche Physiker Max Planck sich mit den Strahlungseigenschaften eines sogenannten »schwarzen Körpers« beschäftigt. Er fand heraus, dass ein solcher idealisierter Körper eine charakteristische Energieverteilung im Spektrum aussendet. Die Energieverteilung der Strahlung eines einige tausend Grad heißen schwarzen Körpers ähnelt der Energieverteilung eines Sterns. Die Energieabstrahlung eines schwarzen Körpers hat ein Maximum, das temperaturabhängig ist. Für einen etwa 6000 Kelvin heißen schwarzen Körper liegt dieses Maximum im grünen Spektralbereich, dort, wo auch die Sonne am meisten Energie abstrahlt und das menschliche Auge am empfindlichsten ist. Um die Energieverteilung dieser Strahlung beschreiben zu
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