Auf der Suche nach den ältesten Sternen (German Edition)
1. Was ist Stellare Archäologie?
Um die vielen Details und die im Universum vorherrschenden chemischen und physikalischen Prozesse verstehen zu können, müssen wir uns nun auf eine kosmische Zeitreise begeben. Sie beginnt direkt mit dem Urknall und wird uns von dort aus bis in unsere Zeit führen. Wie in Abbildung 1.1 zu sehen ist, werden wir die kosmische Herkunft eines Apfels und damit auch die der Elemente kennenlernen. Dabei sind uns die ältesten Sterne aus der Zeit kurz nach dem Urknall behilflich. Sie lehren uns, dass wir Menschen alle Kinder des Kosmos sind. Denn aus Sternenstaub gemacht, tragen wir sogar kleine Mengen des Urknalls in uns.
Der US-amerikanische Astronom Carl Sagan sagte einst: »Wenn du einen Apfelkuchen von Grund auf selbstbacken möchtest, musst du zunächst das Universum erfinden.« Denn tatsächlich sind die Elemente, aus denen ein Apfel besteht, das Ergebnis eines kosmischen Herstellungsverfahrens, das Jahrmilliarden dauerte und das die Astronomen als chemische Entwicklung des Universums bezeichnen. Denn die Atome, aus denen der Apfel besteht, wurden erstmalig durch Kernfusionsprozesse in den heißen Zentren von Sternen vor sehr langer Zeit erzeugt. Mit dem Backen des Apfelkuchens verändern wir zwar die Anordnung der Atome in den verschiedenen Molekülen, aus denen der Apfel besteht, aber die Atome selbst bleiben unverändert. Um ein Atom in ein anderes zu verwandeln, fehlen uns in unseren Küchen Kernreaktoren – die gibt es nur im Universum.
Abb. 1.1 : Die kosmische Herkunft eines Apfels.
Die Elemente Wasserstoff und Helium wurden direkt nach dem Urknall gebildet und liefern das stoffliche Grundgerüst des Universums. Die kosmische Kocherei weiterer Elemente begann bald danach. So wurden alle Elemente erzeugt, auf denen die Entstehung und Entwicklung von Leben und damit auch des Menschen basiert. Für Menschen und organisches Material spielt Kohlenstoff dabei die Hauptrolle. Unsere Existenz hängt also von jenen Sternen ab, die den Kohlenstoff synthetisiert haben. Dadurch sind wir Menschen so eng mit der Entwicklungsgeschichte der chemischen Elemente verbunden.
Mit der Erforschung der diversen chemischen und physikalischen Prozesse, die an dieser Entwicklung beteiligt sind, können sich Astronomen tatsächlich Stück für Stück dem annähern, was das Universum als Ganzes ausmacht. Abbildung 1.A im Farbbildteil zeigt eine Zusammenfassung dieser Entwicklung. Aber beginnen wir die Geschichte von vorne.
Abb. 1.A
1.1. Die ersten Minuten nach dem Urknall
Begriffe wie Raum und Zeit, Temperatur oder Dichte benutzen wir heutzutage oft, ohne weiter darüber nachzudenken, ob es auch ein »Vor« dem Raum oder »Vor« der Zeit gab. Unser physikalisches Verständnis für das Universum beginnt nämlich erst winzige Sekundenbruchteile nach dem Urknall, den man sich als Beginn von Raum und Zeit vorstellen kann. Was wirklich am Anfang des Universums stand, ist und bleibt ein Rätsel. Der Begriff »Urknall« benennt somit diesen eigentlich unbeschreiblichen Anfangszustand.
Wir wissen aber, dass die ersten Minuten nach dem Urknall extrem heiß waren und das Universum lediglich aus einer dichten Suppe aus den verschiedensten kleinsten Teilchen bestand. In den folgenden Minuten bildeten sich daraus Protonen, Neutronen und Elektronen, die Bausteine der Atome. Das Universum dehnte sich nun rapide aus und kühlte dabei schnell ab. An chemischen Elementen existierte bisher nur Wasserstoff (Ordnungszahl 1), genauer gesagt existierten nur Wasserstoffkerne, eben die Protonen. Als die Temperatur nach zwei bis drei Minuten auf eine Milliarde Grad gesunken war, entstanden die ersten gegenüber Wassertoff schwereren Atomkerne wie z.B. Deuterium. Deuterium wird auch »schwerer Wasserstoff« genannt, denn es besteht aus einem Proton und einem Neutron und hat somit die gleiche Ladungszahl wie Wasserstoff, nämlich 1.
Aus Deuterium konnten dann die ersten Heliumkerne (Ordnungszahl 2) gebildet werden, die aus zwei Protonen und zwei Neutronen bestehen. Schon in den ersten zwei Minuten war bei den noch höheren Temperaturen Helium direkt aus vier Protonen gebildet worden. Allerdings war es zu dieser Zeit so heiß, dass diese Heliumkerne immer sofort wieder durch die ebenfalls vorhandenen hochenergetischen Gammastrahlen zerschlagen wurden. Erst der Umweg über die Deuteriumkerne bei den kühleren Temperaturen von etwa einer Milliarde Grad führte dann schließlich zur Bildung großer Mengen von
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