Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)
ein. Eine Befreiungstheologie! Ganz oben auf der liberalen Agenda standen das Verbot des Sklavenhandels und Glaubensfreiheit nach dem Vorbild der neuen amerikanischen Verfassung (Katholiken freilich ausgenommen). Dr. Richard Price, neben Dr. Joseph Priestley der führende Kopf der radikalen rational dissenters und ein guter Freund von Kippis, hatte sie in einer eigenen Schrift gewürdigt.
When first with timid hand I touched the lyre,
And felt the youthful poet's proud desire;
His liberal comment fann'd the dawning flame … [ 6 ]
Kippis hat seine Rolle als Helens Mentor sicher genossen. Ein liebenswürdiges, gescheites, wohlerzogenes junges Mädchen, das zu ihm aufschaute und seine Lehren begierig annahm. Er macht ihr Mut, berät sie bei ihren poetischen Versuchen, erweitert ihr Wissen und ihren Horizont, gewinnt sie für seine politischen Überzeugungen, verhilft ihr zu interessanten und nützlichen Bekanntschaften – und zu Publikationen in Zeitschriften. Ihr Debüt gibt sie mit der Ballade Edwin and Eltruda, a legendary tale , einer Romeo-und-Julia-Geschichte aus dem schottischen Hochland. Der formidable Literaturpapst Dr. Johnson, the old elephant , lobt ihre Ode an den Frieden und äußert sich wohlwollend über ihre guten Manieren.
Helens erster, zur Subskription ausgeschriebener Gedichtband erschien 1786. Er war der Königin gewidmet und eher ein gesellschaftliches als ein literarisches Ereignis. Durch den Einsatz von Helens Förderern und Freunden hatten sich sage und schreibe 1500 Subskribenten dafür gefunden, deren Namen den Gedichten gleichsam als Prozession voranschreiten wie die Götter in ihrem Kindergedicht. Achtzig Seiten nehmen sie ein, Prominenz aus Staat, Kirche, Militär, Wirtschaft, Wissenschaft, den Künsten. Ganz oben in der Königsloge finden wir His Royal Highness the Prince of Wales , an dem das Defilé der Subskribenten in alphabetischer Ordnung, von A bis Y, vorbeizieht. Her Grace the Duchess of Ancaster, The Right Hon. the Earl of Abington und The Right Hon. the Dowager Countess of Albemarle … Der Erzbischof von Canterbury ist dabei und der Bischof von York, da ist Lord Dunsington, Senator im College of Justice, Lionell Durrell, ein Direktor der East India Company, und Dr. John Hope, Professor für Botanik an der Universität Edinburgh. Der berühmte Maler und Akademiepräsident Sir Joshua Reynolds läuft mit, der Dissenter-Prediger Dr. Richard Price, die gefeierte Schauspielerin Sarah Siddons, Helens Vorbild, die Dichterin Miss Anna Seward, der boshafte Literat Sir Horace Walpole. Dabei war auch ein Mr. Stone aus Hackney, der in Helens Leben bald eine Hauptrolle spielen sollte.
Sie hatte sich in verschiedenen Formen versucht, um ihren Lesern ein abwechlungsreiches Programm zu bieten. Düstere Balladen, Naturbilder, Freundschaftsgedichte, ein Kirchenlied, fromme Betrachtungen über Worte der Heiligen Schrift, eine Klage der eingekerkerten Maria Stuart. Das wohl beste Gedicht des Bandes ist einer Seelenstimmung, dem »Zwielicht« der Dämmerung gewidmet.
Gewissermaßen die Muse und Schirmherrin von Helens Lyrik ist jene als spezifisch weiblich geltende moralisch-ästhetische Tugend, die zusammen mit der männlich konnotierten reason – Vernunft – gewissermaßen die Doppelspitze der Aufklärung bildet.
In SENSIBILITY ' S lov'd praise
I tune my trembling reed,
And seek to deck her shrine with bays,
On which my heart must bleed! [ 7 ]
Es ist schwer, eine deutsche Entsprechung für diesen Begriff zu finden. Das Epochenetikett Empfindsamkeit – von empfindsam für sentimental , einem von Lessing angeregten Neologismus – war bald negativ eingefärbt und läßt an blaßblaue Kleider, Spitzenkrägen, schmachtende Liebesbriefe und naßgeheulte Taschentücher denken, das neutralere Empfindungsvermögen ist zugleich zu eng und zu weit geschneidert. Vielleicht paßt Feinfühligkeit noch am besten. »Empfindungs- oder Wahrnehmungkraft, Empfänglichkeit für sinnliche Stimuli«, »Fähigkeit für Empfindungen und Gefühle im Gegensatz zu Erkenntnis und Wille«, »geistige Wahrnehmung, überhaupt Wahrnehmung von etwas«, »die Eigenschaft, schnell oder leicht durch emotionale oder künstlerische Einflüsse affiziert zu werden, die Sensibilität oder Reizbarkeit dafür, gesteigertes Bewußtsein«, »ein hochentwickelter Sinn von emotionalem oder künstlerischem Bewußtsein, extreme oder exzessive Sensitivität«. So versucht das New Shorter Oxford English
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