Auf immer und ewig
hatte. Der junge Mann war eine äußerst verwirrte, kaputte Seele, versuchte immer wieder sich umzubringen, in dem er seinen Kopf wiederholt gegen die Wand seiner Zelle schlug. Viele Male schon mußten die Gefangenenwärter ihn in eine Zwangsjacke stecken oder mit Handschellen fixieren und während der Sitzungen mit mir weinte er die meiste Zeit und redete nicht viel. Gestern erst war es wieder passiert, er war sogar in einen Kampf mit zwei Gefängniswärtern gekommen, dementsprechend war er heute besonders aufgewühlt gewesen und mich hatte das Gespräch mit ihm recht aus gelaugt. Es war erst elf Uhr morgens und ich trank bereits meinen vierten doppelten Espresso. Bevor ich meinen Kopf unbeobachtet auf meinen Schreibtisch legen und ein kleines Schläfchen machen konnte, klopfte es hart an der Tür. Ich schnellte hoch.
„Herein.“ Rief ich. Rasch öffnete sich die Tür und Frank, mein Vorgesetzter, stand im Türrahmen.
„Laura. Der neue Insasse, Jason Gardner, kommt in einer Stunde an, nicht in vier so wie geplant. Bist du fertig und vorbereitet?“
Ich seufzte innerlich. Nicht einmal zwei Minuten Nichtstun konnte ich mir gönnen. Kein Wunder, dass ich im letzten Jahr das Rauchen aufgegeben hatte- Mir blieb ja nicht einmal Zeit dafür.
„Ja. Habe die Akte gerade durchgelesen. Kein Problem.“ antwortete ich rasch. Frank grinste mich an. „So hab ich das gern. Okay Laura, wir sehen uns später.“ Und schon war die Tür wieder geschlossen. Eine Stunde. Ich wollte die Akte ein weiteres Mal durchgehen und das erste Treffen vorbereiten. Ich hatte schon zahlreiche neue Insassen im Gefängnis begrüßt, doch daran gewöhnen tat man sich nie. Es wurde eine Art Routine, aber jeder Insasse war anders, reagierte anders und darauf musste man vorbereitet sein. Beim ersten Treffen heute ging es nur darum, mich vorzustellen, morgen allerdings würden b ereits unsere Sitzungen starten. Ich beschloß, mir meinen fünften Espresso zu holen.
Eine Stunde später. Mit Jason Gardners Akte und meinen eigenen Notizen unter dem Arm stand ich im Eingang des Gefangenentraktes, Jason würde jede Sekunde ankommen. Ich war die Erste, die mit ihm sprechen würde, erst danach würde er von den Wärtern in die Regeln und den Haushalt des Gefängnisses eingewiesen. Mit meinen Händen zupfte ich an meinem Haar herum, dass in langen Strähnen unordentlich von meinem Kopf hing. Wenn ich arbeitete, trug ich kein Make Up auf und machte mich nicht zurecht- Aus zwei simplen Gründen. Erstens war ich eine junge Frau, die in einem Männergefängnis voller Hochkrimineller arbeitete, die man nicht unnötig reizen sollte. Zweitens hatte ich dazu morgens absolut keine Zeit. Mein Arbeitstag begann um sieben und ich brauchte fast eine Stunde für die Anreise. Abends kam ich meist erst um acht oder neun Uhr nach Hause. Ein Privatleben oder einen festen Freund hatte ich schon seit fast drei Jahren nicht mehr gehabt. Mein letzter Freund hatte sich aus dem Grund von mir getrennt, dass ich einfach viel zu selten Zeit für ihn hatte.
Gerade hatte ich mich entschlossen, mein wirres, dunkles Haar mit einem Haargummi zurück zu binden, da hörte ich den Wagen auf dem Parkplatz einfahren. Sofort sprangen der Fahrer sowie ein weiterer Sicherheitsmann aus dem Wagen und öffneten die Hintertür des Wagens. Die Fenster waren verdunkelt, ich konnte also noch niemanden erkennen. Nun sah ich Jason Gardner aussteigen, die Hände mit Handschellen hinter dem Rücken verschränkt, in der Gefängnisuniform des State Prisons. Er hob den Kopf und sah mir direkt in die Augen, als hätte er gewußt dass ich dort stehen würde. Mich durchzuckte ein kurzer Blitz der Nervösität. Jason sah aus, als würde er die Gefängnisuniform nur tragen weil es Halloween war. Oder Mardi Gras. Ich konnte mir nicht erklären warum, aber er sah einfach nicht aus wie ein verurteilter Mörder. Keiner meiner Insassen sah aus wie ein Monster oder ein Verrückter, aber keiner von ihnen sah aus wie Jason. Groß, gut gebaut, dunkelbraunes, leicht gewelltes Haar, grüne Augen und Drei-Tage-Bart. Wir sahen uns für ungefähr drei Sekunden in die Augen, dann sah ich schnell weg. Als Gefängnispsychologin mußte ich immer den Abstand zu Insassen wahren, einen Insassen nie zu persönlich nehmen oder mich gar einschüchtern lassen. Ich musste absolut professionell sein. Und Jason war ein Fall wie jeder andere, nur dass er unglaublich gut aussah. Ich atmete tief durch, dann begann ich, neben den
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