Auf immer und ewig
Kalifornien hatte ich nie richtig Anschluß gefunden. Mir fiel es nicht einfach, mich Fremden gegenüber zu öffnen, besonders nicht, wenn ich so wenig Zeit hatte sie besser kennenzulernen. Und mit Jason schien es von Sitzung zu Sitzung vertrauter zu werden, ich fühlte, dass ich mich ihm öffnen konnte, dass er wirklich an mir interessiert war. Die Realistin in mir schrie, dass es ein gefährliches Spiel war, das ich hier trieb. Jason war schließlich ein verurteilter Mörder, hatte fünf Menschen auf seinem Gewissen und würde für den Rest seines Lebens hier einsitzen. Mir wurde während meines Studiums und meiner ersten tage im California State Prison Corcoran immer wieder eingetrichtert, dass ich keinen persönlichen Bezug zu einem Häftling aufbauen durfte. Und falls es doch passieren sollte, müsste ich den Patienten sofort an einen anderen Psychologen abgeben. Ich tat es nicht. Ich blieb Jasons Psychologin und genoss jede Sitzung mit ihm mehr. Und er begann, mir mehr von sich zu erzählen.
Sein Vater war ein stinkreicher Alkoholiker gewesen, der nicht treu sein konnte und Jasons Mutter und die drei Kinder immer wieder geschlagen hatte, bis die Mutter endlich genug Mut aufbrachte, ihren Mann zu verlassen. Von da an folgte Schwiegervater nach Schwiegervater, Jason konnte nach eigener Aussage nicht mehr zählen, wie oft die Mutter mit ihm und seinen zwei Schwestern umzug und wie oft er einen neuen Mann im Haus akzeptieren musste. Er beschrieb seine Mutter als schwach, abhängig und er verabscheute Frauen, die sich von einem Mann abhängig machten. Seine Schwestern waren beide älter als er- Eine war nach New York umgesiedelt, die andere arbeitete ebenfalls im Immobiliengeschäft in Los Angeles, genau wie er zuvor. Seine Ex-Frau Jenna hatte er im Fitnessclub kennengelernt. Sie war nicht reich wie er, hatte ihn aber mit ihrer Schönheit und ihrem frechen Humor in Windeseile um den Finger gewickelt. Als Jenna ihn dann mit einem Mann aus der Nachbarschaft betrog und wenig später die Scheidung einreichte, um mit diesem Mann zusammen zu leben, verlor Jason die Kontrolle und tötete sie, ihren Liebhaber und die Sicherheitsleute. Wie die fünfte Person, Mary-Ann Marley, in all das verwickelt war, hatte Jason mir noch immer nicht verraten.
4.
Ich hatte in den letzen Tagen bereits herausfinden können, dass diese Mary-Ann Marley tatsächlich existiert hatte und sie als vermisst gemeldet war. Eines Tages vor mehr als zwei Jahren war sie nach ihrer Schicht als Kellnerin gegen zwei Uhr morgens verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Ich hatte bereits versucht, irgendeine Verbindung herzustellen zwischen ihr und Jason, aber laut den Akten hatte keiner ihrer Verwandten und Freunde sie in letzter Zeit mit einem Mann gesehen, jeder von ihnen gab an, dass Mary-Ann Single war. Und ich war Gefängnispsychologin, nicht Polizistin. Mir war es nicht gestattet, auf eigene Faust Morde aufzuklären. Das war nicht meine Aufgabe, so neugierig ich auch war.
Obwohl die Beziehung zwischen mir und Jason immer intensiver zu werden schien, war ich schlau genug, meine Informationen meinem Vorgesetzten Frank mitzuteilen. Ich legte ihm jedoch nicht alles vor, worüber wir sprachen, nicht jede persönliche Info, besonders nicht die von meiner Seite. Zwar nahm ich immer alles auf Tonband auf, aber mir lag es frei, welche Informationen ich Frank zur Verfügung stellte und welche nicht. Frank vertraute mir. Ich war eine fähige, professionelle Gefängnispsychologin, die in ihrer Karriere noch nie etwas unethisches getan hatte. Bis ich Jason traf. Frank reagierte relativ gelassen auf die Information, dass es wahrscheinlich eine fünfte Leiche gab. Er sagte er sei noch immer nicht davon überzeugt, dass es irgendeinen Zusammenhang gab zwischen Jason und Mary-Ann. Und dass diese Frau nun schon so lange verschwunden sei dass es zweifelhaft war, ob man jemals die Leiche finden würde. Aber ich sollte nicht nachgeben und versuchen, weitere Informationen aus Jason herauszubekommen.
Heute war Sitzung 23. Seit einigen Tagen legte ich mehr Wert auf mein Aussehen, kämmte meine Haare morgens sehr gründlich, trug sogar etwas Make-Up auf. Jason war meine Wandlung sofort aufgefallen, seine Augen strahlten jedes Mal, wenn er mich sah und das brachte mein Herz wiederum jedes Mal zum hüpfen.
Jason saß mir wie immer am Tisch gegenüber und lächelte mich beruhigend an.
„Laura- Ich habe eine Bitte.“ begann er. „Du weißt, ich würde dir nie
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