Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern
der ihnen die Lehre von der Numenheit enthüllt hatte.
Auf der Fensterseite blühten in Näpfen seltsame Gewächse. Am merkwürdigsten war darunter die tanzende Blüte ›Ro-Wa‹, eine lilienartige Pflanze, deren lange Blütenstengel sich schlangengleich hin- und herbewegten und mit ihren zierlichen Knospen fortwährend anmutige Bewegungen ausführten, indem sie zugleich ein leises Zwitschern wie von Vogelstimmen hören ließen. Zwischen den Blumentischen stand auf der einen Seite eine Schreibmaschine, auf der andern ein Apparat, der nichts anderes vorstellte als eine Maschine zur Ausführung schwieriger mathematischer Rechnungen.
Die Fenster reichten bis zum Boden des Zimmers. Dennoch schien es, als liefe an denselben etwa bis zur Höhe von einem Meter eine Bekleidung entlang. Aber seltsam, diese Bekleidung schimmerte in einem dunkeln Grün und wogte leise auf und ab; und mitunter leuchteten kleinere und größere Fische darin auf und stießen ihre Köpfe an die Scheiben. Es war das Meer, das bis zu Meterhöhe über den Boden des Zimmers hereinblickte. Denn jenes Zimmer befand sich auf der Außenseite der Insel, welche Torms verunglückte Expedition am Nordpol der Erde gesehen hatte.
Eine natürliche Insel war jedoch diese Anlage der Martier nicht. Sie hatten vielmehr in den Binnensee, der am Nordpol sich vorfand, eine künstliche Insel, richtiger ein schwimmendes Floß von großer Ausdehnung, hineingebaut, das ihr Feld von riesigen Elektromagneten zu tragen hatte. Denn diese Elektromagnete brauchten sie zur Balancierung ihrer Außenstation und dadurch zur Errichtung des abarischen Feldes. Auf der inneren Seite des ringförmig erbauten Riesenfloßes befanden sich die Arbeitsmaschinen und Apparate, während die Außenseite zu Wohnräumen diente sowie zum Stapelplatz aller der Vorräte und Werkzeuge, welche die Martier hier allmählich ansammelten, um die Eroberung der Erde vom Nordpol aus vorzubereiten.
Über die Treppe, die von dem Dach der Insel nach dem Korridor und den angrenzenden Wohnzimmern führte, stieg eine weibliche Gestalt herab. Auf das Geländer gestützt bewegte sie sich mühsam, wie durch eine schwere Last niedergebeugt. Sie zuckte schmerzlich zusammen, sooft ihr Fuß mit einem krampfhaften Aufschlag die nächst niedere Stufe berührte. Darauf durchschritt sie ebenso schwer und mühevoll den Korridor, indem sie sich gleichfalls mit den Händen an einem der Geländer unterstützte, die sich den Korridor entlangzogen. Jetzt berührte sie die Tür des Zimmers, die sich geräuschlos in sich selbst zusammenrollte, und trat ein. Die Tür schloß sich hinter ihr von selbst.
Mit einem Schlag war die Haltung der Gestalt verändert. Leicht und kräftig richtete sie sich empor. In einer anmutigen Bewegung warf sie den Kopf zurück und atmete einige Male tief auf. Sie glitt einige Schritte durch das Zimmer; nicht mehr gebeugt und mühsam, sondern wie schwebend durchmaß sie in graziöser Haltung den Raum und blickte auf dem Tisch nach dem Zifferblatt, das den Stand des Schweredrucks im Zimmer angab. Ein helles Aufleuchten ihrer großen, glänzenden Augen mochte ihre Zufriedenheit andeuten, denn sie korrigierte kaum merklich die Stellung des Handgriffs, durch den sie die im Zimmer herrschende Schwerkraft regulieren konnte. Eine Abzweigung des abarischen Feldes gestattete den Bewohnern der Insel, ihre Wohnräume den Schwereverhältnissen anzupassen, welche ihre Konstitution erforderte. Denn die Schwerkraft auf dem Mars beträgt nur ein Drittel von derjenigen auf der Erde.
Jetzt streifte sie mit einer leichten Bewegung die warme Hülle ab, die ihre Schultern bedeckte, und ohne sich umzublicken warf sie dieselbe, wo sie gerade stand, achtlos in die Höhe. Von ihrem Kopf löste sie die Kapotte, die sie draußen getragen hatte, und stieß sie ebenfalls ziellos in die Luft. An ihren Handschuhen drückte sie auf ein Knöpfchen und streckte dann ihre Hände mit gespreizten Fingern leicht in die Höhe, worauf sich die Handschuhe von selbst abstreiften und emporstiegen. Alle die nach oben geworfenen Gegenstände flogen von selbst einer Ecke des Zimmers zu, schlugen eine dort befindliche Klappe zurück und glitten hinter der Wand auf die ihnen bestimmten Plätze, während die Klappe sich wieder schloß. Sie waren sämtlich mit einem von den Martiern entdeckten Stoff gefüttert, der sich nach Art der Pflanzenfaser behandeln ließ, aber in äußerst kräftiger Weise, so wie das Eisen vom Magnet, von einem dazu
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