Auf zwei Planeten - Ungekürzte Ausgabe in zwei Büchern
läßt er sie in ihrem Harm sitzen? Und das dulden Sie? Das ist ja ganz unerhört. Und nun reden Sie die Wahrheit.«
Grunthe saß stumm mit eingezogenen Lippen.
»Sie wollen nicht reden?« fragte Se.
»Ich darf nicht. Es sind nicht meine Geheimnisse.«
»Ach, also Torms! Das Zugeständnis genügt. Und billigen Sie dies Verhalten?«
»Nein.«
»Warum benachrichtigen Sie nicht Frau Torm?«
»Das geht mich nichts an. Davon verstehe ich nichts. Das muß ich Torm überlassen.«
»Und seine Gründe? Er muß Ihnen doch Gründe angegeben haben.«
»Ich kann nichts sagen.«
»So werde ich Isma –«
»Ich bitte Sie«, unterbrach sie Grunthe, »Sie können nicht wissen, ob das gut wäre. Nehmen Sie an, er stünde unter dem Druck einer Schuld, oder glaubte es wenigstens – er würde seine Frau nur ins Unglück stürzen, wenn er jetzt käme, oder er scheue sich, vor sie als ein Ausgestoßener zu treten, aber er hoffe, daß der Makel noch von ihm genommen werden könnte, in einiger Zeit –. Nehmen Sie an, er warte nur noch Nachrichten ab. Eine vorzeitige Mitteilung könnte alles verderben –«
»Nehmen wir an, was wir wollen« hub jetzt La an, »hier gibt es gar keine andre Wahl, als die Frau in dieses Geheimnis zu ziehen, und sie kann dann entscheiden –. Ihr haltet das wahrscheinlich für besonders edel, daß der Mann die inneren Kämpfe in sich ausficht und die Frau aus Schonung in der Angst der Ungewißheit läßt, weil ihr denkt, sie könnte sich wieder durch rücksichtsvolle Gefühle bestimmen lassen, das zu tun, was sie eigentlich nicht will. Zartgefühl nennt ihr’s, und Hochmut ist es, weiter nichts. Der Hochmut, daß ihr allein so außerordentlich fähig seid zu beurteilen, wo und wieweit man sich aufopfern darf. Das kommt aber alles davon, weil ihr nicht wißt, was Freiheit ist; Freiheit, die das Gefühl anerkennt, wie es wirklich ist, aber nicht es zurechtstutzt, wie es euch verständig scheint. Und weil eure Vernunft zu blöde ist, um dieses ganze Gewirr von Gefühl und Berechnung zu durchschauen so verderbt ihr das Leben aus lauter Edelmut in der schönsten Selbstlüge.«
»Ich verstehe nichts davon«, sagte Grunthe wiederholt, indem er aufstand. »Ich will nichts damit zu tun haben, das sind Sachen, die sich nicht berechnen lassen. Ich bitte nur, wahren Sie ein Geheimnis, das nicht das Ihrige ist, wie auch ich es tue.«
»Das versteht sich von selbst«, erwiderte Se. »Wir können nur von dem Gebrauch machen, was wir mit eignen Augen gesehen haben.«
»Leben Sie wohl«, sagte Grunthe. »Und möge Ihre Reise zum Ziel führen.«
»Sie werden uns in jedem Fall nächste Nacht wieder hier sehen. Dürfen wir in Ihrem Garten übernachten?«
»Selbstverständlich. Indessen – ich kann mich nicht darum kümmern.«
»Das beanspruchen wir nicht«, sagte La lächelnd. »Wenn wir aber vielleicht Gäste mitbringen, die mit Ihnen sprechen möchten, wie können wir Sie von unsrer Ankunft benachrichtigen?«
»An der Tür, die vom Garten nach dem Haus führt, ist eine Klingel. Wir werden wahrscheinlich die nächste Nacht durcharbeiten, wenn es klar ist.«
»Es wird klar werden«, sagte La, indem sie jetzt Grunthe die Hand reichte.
Er nahm sie, er drückte sie sogar ein wenig. Dann ging er mit steifen Schritten aus der Tür.
La sah ihm nach.
»Ich fürchte«, scherzte Se, »den hast du auch erobert. Er hat dir ja beinahe die Hand gedrückt.«
»Ja«, sagte La, »er hat sich gebessert. Aber im Ernst, er ist einer von den Menschen, die wert wären, auf dem Nu geboren zu sein. O Se, wenn es Gott gäbe, daß wir morgen hier alle zusammen sind!«
»Laß uns hoffen und ruhen. Wir haben einen schweren Tag vor uns.«
»Ich will nur noch mit dem Schiffer sprechen. Eine Stunde vor Sonnenaufgang wollen wir aufbrechen.«
Alle Luken wurden geschlossen, die Lichter gelöscht. Dunkel und verschwiegen lag das Schiff auf dem Rasen, verborgen von den hohen Bäumen des Parks. Ein fernes Wetterleuchten zuckte zuweilen im Norden, im Süden aber, alle Sterne überstrahlend, zog der rötliche Mars seine Bahn in ruhigem Licht.
55. Kapitel – In höchster Not
D er getreue Palaoro war in der Nacht auf das Gebirge gestiegen, um Saltner die Nachricht zu bringen, daß zwei Luftschiffe in Bereitschaft seien, ihn zu suchen. Diese Nachforschung konnte nur dadurch geschehen, daß die Luftschiffe Tal für Tal und Berghalde für Berghalde absuchten und jedes einzelne Häuschen, jede Hütte anliefen, um sich die Insassen anzusehen.
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