Auf zwei Planeten
begreifen.«
»Du vermagst es wohl nicht zu begreifen«, sprach La mit kaum hörbarer Stimme, indem sie Se folgte. »So hab ich auch oft zu mir gesagt, und wer vermöcht’ es wohl, der es nicht erlebt? Aber nun weiß ich, daß es so sein muß. Glaube nicht, ich hätte vergessen, daß ich eine Nume bin. Ich habe gekämpft um meine Freiheit, um meine Würde, und mit bittern Tränen hab ich sie mir errungen, glaubt’ ich sie mir errungen mit jenem Abschiedskuß in Sei. Ein Marsjahr ist dahingegangen seitdem, zweimal hat die Erde ihren Sonnenlauf vollbracht, aber frage nicht, wie ich die Zeit durchlebte! – Ich habe mich aufgerieben in diesem nutzlosen Kampf. Ich hatte ja nicht gesiegt, ich war geflohen vor mir selbst. Freiheit und Würde hatte ich nicht gewonnen in meiner Seele, nur Weltraum und Sonne, die trennenden Mächte der Planeten, hielten mich in dem leeren Schein, daß der Nu meine Heimat und ich eine Nume sei. So lebt’ ich, mich selbst betrügend und verzehrend, bis der Morgenstern wieder leuchtete. Da trieb es mich her. Würde des Numen! Ist sie noch Würde, wenn sie erhalten wird durch den äußeren Zwang? Nein, Se, es wurde mir klar, Würde wie Freiheit wiedergewinnen konnte ich nur, wenn ich selbst mich hingab, um sie in dieser Welt des Scheines zu verlieren. Und wie ein Zeichen heiliger Bestimmung wurden mir die Mittel der Macht, die in meine Hände gegeben war. Versuchen wollt’ ich, ob ich auf der Erde das sein kann, was der Geringsten Eine unter den Menschen ihm hier sein könnte. Ihm! Se, dies eine Wort verstehst du nicht – ihm? Warum ihm? Das ist das Geheimnis, das unauflösliche, das weder Menschen noch Nume wissen. Ihm, weil ich bin, weil wir so wollten, ehe noch Mars und Erde vom uralten Sonnenschoß sich trennten. Ein lächerlicher Zufall, daß ihm der Leib gebildet ward in diesem, mir in jenem Abstand vom Sonnenball! Die Bestimmung ist nur eine, es ist die der Vernunft im zeitlosen Willen, daß ich sein soll und daß wir das eine, dasselbe Ich sein sollen – das ist die Liebe. Dieser Bestimmung folgen ist Freiheit. Dieser Bestimmung genügen ist Würde. Ich habe die Erde versucht, ich kann ihren Mächten trotzen. Und damit du’s weißt, was ich will – ich gehe jetzt hin, ich hole ihn und rede zu ihm, hier bin ich, und anders kann ich nicht sein. Als Nume oder als Mensch, wie du mich haben willst, ich bin La, deine La. Und nun, meine Se, schilt nicht, lästre nicht, es nutzt nichts. Komm mit, laß uns zur Station hinabsteigen, Grunthe soll mir sagen, wo er ist.«
»Ja, wer denn?«
»Wer? Es gibt nur einen Menschen.«
53. Kapitel – Schwankungen
D ie Wohnung Torms auf der Gartenstraße in Friedau stand noch immer verschlossen, die Jalousien vor den Fenstern waren herabgelassen, niemand betrat die Räume. Isma hatte sich nicht entschließen können, die Wohnung aufzugeben, es war ihr, als gäbe sie damit die letzte Hoffnung auf, noch einmal in ihre Häuslichkeit zurückzukehren, als raubte sie ihrem Mann das Heim, das er vielleicht in Schmerz und Elend suchte und ersehnte.
Und dennoch lebte Torm in Friedau in tiefster Verborgenheit. Er wohnte bei Grunthe. Es war nichts Ungewöhnliches, daß fremde Gelehrte sich längere Zeit auf der Friedauer Sternwarte zu Studien aufhielten und dann Ells Gäste waren. So fiel es auch den wenigen nicht auf, die darum wußten, daß bei Grunthe ein ausländischer Astronom wohnte, der sich nirgends in der Stadt sehen ließ.
Torm war am Tag, nachdem er von Grunthe die erschütternden Nachrichten über die Umwandlung der Verhältnisse in Europa erhalten hatte, nach Berlin gereist. Die Sehnsucht trieb ihn, zu Isma zu eilen, ihr die Sorge, die Trauer um den Verschollenen zu nehmen, glücklich bei ihr zu sein und mit ihr vereint dann zu erwarten, was sein Geschick über ihn bestimmen werde, wenn seine Rückkehr bekannt geworden sei. Das war ja doch das Natürliche, zu ihr gehörte er, um zu ihr zu gelangen hatte er sich in die neuen Gefahren gestürzt und – in die Schuld. Seine Zweifel waren zerstreut, sein Vertrauen zurückgekehrt. Wenn sie ihn nicht liebte, wenn sie nicht fest an ihm hielt, was hätte sie gehindert, ihn zu verlassen, um den mächtigen Freund zu wählen? Was sie offen tun konnte, warum hätte sie es heimlich tun sollen? Nein, sie hatte es nicht getan, und da sie es nicht getan, was ging Ell ihn an? Nicht zu Ell wollte er, sondern zu ihr. Aber ohne vorherige Nachricht. Erst mußte er mit ihr besprechen, was zu tun sei, wie sie es
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