Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auge um Auge - Moonbow #1 (German Edition)

Auge um Auge - Moonbow #1 (German Edition)

Titel: Auge um Auge - Moonbow #1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Madea
Vom Netzwerk:
Zweifel. Wäre doch alles nur ein böser Traum.
    » Piri, hast du etwas von Mr. Night gehört? Wenn ich mich doch nur entschuldigt hätte. Mit wem war ich dort? Ich …«
    »Jetzt ist aber genug«, sagte Piri sanft, jedoch mit dem gewissen Unterton, den er stets einsetzte, wenn sie seiner Meinung nach zu viele Fragen stellte. Piri mochte keine Fragen, außer er stellte sie. Nun ja, er war ja auch ihr Mentor, ihre Familie, ihr Freund, er wusste, was er tat und was gut für sie war. Er war mehr Mensch als Maschine für sie. Wenn sie sich auf eines verlassen konnte, dann auf ihn. Ihren Gefühlen und Gedanken durfte sie scheinbar nicht uneingeschränkt trauen.
    Leise begann Piri, mit seiner tiefen Stimme zu singen. Ein spanisches Wiegenlied. Dank Piri verstand sie es sogar, doch irgendwie wollte sich ihr Körper heute nicht entspannen. Unzählige Fragen strömten ihr wie frische Cola durch die Adern in den Kopf. Machten sie kribblig. So drängend und penetrant war es noch nie. Sie verlor den Gesang, starrte an die Zimmerdecke, hörte stattdessen Stimmen, die sie nicht kannte, die sie weder einer Person noch einer Begebenheit zuordnen konnte.
    Ein kaum hörbares Zischen erklang, das sie noch niemals vernommen hatte.
    Sie öffnete die schweren Lippen, um Piri, der immer noch wundervoll und leise sang, zu fragen, was das gewesen sein könnte, doch im selben Augenblick überrollte sie bleierne Müdigkeit und sie fiel in einen tiefen und traumlosen Schlaf.
     
    »Bist du so weit, View?«
    Sie streckte den Rücken und überprüfte den Sitz ihres zu einem dicken Knoten zusammengebundenen Haars. »Ja, bin ich«, sagte sie zu Ben, obwohl sie sich nicht im Mindesten bereit fühlte. »Frühsport absolviert, gefrühstückt, geduscht und angezogen.« Das wollte der Wissenschaftler vor der Tür sicher nicht so genau wissen. Sie rang mit den schon wieder leicht feuchten Händen.
    Eine kleine Schublade fuhr neben der einzigen Tür ihres Zimmers nach innen und View entnahm das daumengroße Fläschchen.
    »Bitte setz die Linsen ein.«
    Beinahe hätte View geseufzt. Sie wusste auch nicht, weshalb ihr der Gang heute so schwerfiel. Mit dem Zeigefinger tippte sie auf eine der schwarzen, verkehrt herum liegenden Linsen. View entnahm sie dem Reinigungswasser, hob mit der anderen Hand ihr Lid an und setzte die Speziallinsen nacheinander ein.
    »Fertig«, murmelte sie und hörte, wie sich der nur von außen zu öffnende Sehschlitz aufschob. Sie trat vor, bis ihre Fingerspitzen die Tür berührten und stellte sich aufrecht hin.
    »Sitzen gut. Danke«, sagte Ben.
    Views Herz begann schneller zu schlagen, pumpte ihr bis in die Ohren, sodass es dort unangenehm pochte, doch die Tür öffnete sich noch nicht.
    »View, dein Computer bleibt aber im Zimmer.«
    Verdammt! Wo war sie mit ihren Gedanken? Ja, wo bloß? Rasch nahm sie das dünne Armband ab und legte es auf die Kommode, die rechts neben der Tür stand. »Bis später«, raunte sie Piri zu. Es erfüllte sie stets mit Unbehagen, ihn ablegen zu müssen, ihn nicht bei sich zu wissen, wo er doch sonst immer bei ihr war und ihr Sicherheit gab.
    Die Tür rauschte zur Seite. View legte wie jedes Mal ihren Unterarm samt Hand auf den Ärmel des Wissenschaftlers. Bens Größe und damit die Höhe seines angewinkelten Arms hatte sie exakt bemessen, ohne sich vorab dessen bewusst zu sein. Meist wusste sie nicht, wer sie abholte. Es gehörte sich nicht, Fragen an die hart arbeitenden Professoren zu stellen. Bens Namen hatte sie allerdings bei den Untersuchungen aufgeschnappt. Den anderen hatte sie Fantasienamen gegeben, um sie auch mit geschlossenen oder verhüllten Augen zu unterscheiden. Geredet wurde eh nie, wenn sie anwesend war, das verbot die festgeschriebene Vorgehensweise.
    Nur einen kannte sie noch mit Vornamen. Max, den Leiter des Labors, Hochsicherheit glaubte sie, der dafür gesorgt hatte, dass sie sofort einen Platz bekommen hatte, obwohl dieser eigentlich für einen Prominenten vorgesehen war. Hier wurden, von allen abgeschirmt, außergewöhnliche Krankheiten untersucht, versucht, die Patienten zu heilen. Doch die Brisanz ihrer Augenerkrankung war Max sofort klar geworden und deshalb hatte er sich für sie eingesetzt. Max’ volltönende Brummstimme hatte sie noch gut im Ohr. Sie verließ sich seit ein paar Jahren notgedrungen auf ihre anderen vier Sinne. In ihrem Zimmer konnte sie sogar unzählige Pirouetten drehen, ohne gegen irgendetwas zu stoßen. Mit eingesetzten Linsen selbstverständlich.

Weitere Kostenlose Bücher