Der FC Bayern und seine Juden
Einführung
Juden, Fußball und der FC Bayern
9. April 1933: In Stuttgart verabschieden die bedeutendsten Fußballvereine Süddeutschlands eine Erklärung, in der sie dem nationalsozialistischen Regime ihre Mitarbeit anbieten – »insbesondere die Entfernung der Juden aus den Sportvereinen« betreffend. Zu den Unterzeichnern gehört auch der FC Bayern München – jener Verein, der nur drei Wochen zuvor noch von einem jüdischen Präsidenten geführt wurde und dessen 1. Mannschaft, der amtierende Deutsche Fußballmeister, noch immer von einem Juden trainiert wird.
Veröffentlicht wird die Erklärung auf der Titelseite des »Kicker«, in dessen Kopfzeile als Herausgeber ein Jude steht, der einst den Vorläufer des FC Bayern mitgegründet hat, im April 1933 aber bereits emigriert ist.
In Stuttgart endet mit dieser Erklärung ein halbes Jahrhundert deutschen Fußballsports. Bisher haben Funktionäre und Spieler die Entwicklung des Spiels unabhängig von ihrem kulturellen, religiösen oder nationalen Background gefördert. Unter Deutschlands Fußballpionieren des ausgehenden 19. Jahrhunderts und den Fußballaktivisten der Weimarer Republik befanden sich eine Reihe jüdischer Bürger. Viele Jahre war dies selbstverständlich, und niemand kam auf den Gedanken, hierfür Gründe zu erörtern. Nun aber wird dieser Konsens durch die Nationalsozialisten und ihre Kollaborateure im deutschen Fußball mit aller Brutalität und innerhalb kürzester Zeit zerstört.
Aus der Geschichte des deutschen Fußballs schreibt man die Juden heraus oder drängt sie an den Rand. So richtig in Vergessenheit gerät ihr Beitrag aber erst in den 1950er Jahren. Der Zusammenbruch des NS-Regimes und die alliierten Maßnahmen gegenüber den alten Verbänden und Vereinen brachten nur eine kurze Unterbrechung, aber keinen Neubeginn im deutschen Fußball. Die Geschichte wird bald wieder von denen geschrieben, die sie schon in den NS-Jahren schrieben, die sich dem Nationalsozialismus andienten – teils, weil sie deren Ideologie faszinierte, teils, um ihr eigenes Fortkommen zu forcieren und ihr eigenes fußballpolitisches Süppchen zu kochen. Nun, nach dem Untergang des Nazi-Reichs, wäscht man sich gegenseitig rein und verklärt sich zu »Anti-Nazis«, die höchstens »zum Schein« mitgemacht hätten, um Schlimmeres zu verhindern. Aus Tätern, Karrieristen, Opportunisten und Mitläufern werden selbsternannte Richter, die sich und ihre Kameraden zu Getriebenen, Opfern und Widerständlern stilisieren und von jeglicher Schuld und Verantwortung freisprechen. Die tatsächlichen Opfer bleiben weiterhin unerwähnt oder marginalisiert. Stattdessen wird das anrührende Bild einer harmonischen Fußballfamilie gemalt, die sich von den jeweiligen politischen Verhältnissen kaum irritieren lässt und ein Höchstmaß an positiver Kontinuität aufweist. Die Leistungen und Schicksale der deutsch-jüdischen Fußballaktivisten können da nur stören, da sie die Frage nach der Mittäterschaft aufwerfen würden. Was einmal ausgeschlossen wurde, muss deshalb ausgeschlossen bleiben.
Erst ein gutes halbes Jahrhundert nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beginnt man sich wieder der Juden im deutschen Fußball zu erinnern. Was nun zutage befördert wird, versetzt viele in ungläubiges Erstaunen, auch innerhalb jüdischer Organisationen.
Deutsch-jüdische Anfänge
Dieses Buch beginnt daher mit einer Darstellung, die ohne den Nationalsozialismus und den Holocaust vermutlich überflüssig, wenn nicht gar unangebracht wäre: dem Versuch, das Interesse und die Begeisterung deutscher Juden für den Fußballsport zu erklären.
Fußball begann nicht als Arbeiterkultur, sondern war zunächst beheimatet im Milieu der bürgerlichen Akademiker sowie der neuen – und damit traditionslosen – expandierenden Schicht der Angestellten in den kaufmännischen und technischen Berufen. Anders als in England, wo sich der Fußball bereits in den letzten Dekaden des 19. Jahrhunderts zum proletarischen Massenspektakel entwickelte, behielt das Spiel auf dem Kontinent bis in das 20. Jahrhundert hinein seinen Eliten- und Mittelschichtcharakter.
Für die Historikerin Christiane Eisenberg verkörpert das frühe Fußballspiel »das spezifisch moderne Lebensgefühl der Jahrhundertwende, insbesondere der Aufsteiger und Selfmademen, die offen für alles Neue waren und sich um Konventionen wenig scherten. Für viele war der Gebrauch der englischen Sprache und die Imitation eines ›english way of
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