Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
reichen
Besucher
einzusammeln.
Überall
waren
Gesichter,
Hüte,
aber kein einziger grauer Bart. Stattdessen fiel ihr eine
merkwürdige Person ins Auge. Ein dunkler Dreizack krönte
die weiße Perücke und in der rechten Hand trug sie einen
schwarz-goldenen Spazierstock
Bleich wie ein Gespenst, stand der Mann in der Menge und
starrte in ihre Richtung. Meinte er sie?
Verwirrt blickte Velura sich um.
Niemand sonst lag in seinem Blickfeld.
Dabei fasste er
sich
an
den Kopf,
um
seinen
großen,
pechschwarzen Hut zu ziehen..
Er vollführte eine Art Verbeugung, und platzierte ihn wieder
gekonnt auf dem Haupt.
Bei den Göttern! Plötzlich wieherten Pferde. Eine schwarze
Kutsche fuhr heran und durchquerte ihr Sichtfeld.
Als sie vorbei war, war er verschwunden.
„ Ist alles in Ordnung ?“, fragte eine Stimme.
Velura zuckte zusammen.
Hinter ihr stand plötzlich Adamus.
„ Ja “, log sie, „ ich meine, ich habe euch gar nicht kommen
sehen.“
„ Was für ein Trubel“, fand er, „ gehen wir besser und suchen
uns einen ruhigeren Ort.“
Er führte sie in eine der vielen Gassen hinein.
„ Das da drin ist für dich “, erklärte er, „ ich hoffe du magst
Schokoladenkuchen.“
„Ja, sehr“, versicherte sie und holte das dunkle Törtchen
hervor. Der Zucker half. Und davon abgesehen, schmeckte
es göttlich.
„ Wie hat dir die Kathedrale gefallen?“
„ Gut“, überging Vell jeden Zweifel, „ ich meine sie ist wirklich
groß.“
„ Dann machen wir jetzt einen Umweg“, entschied er , „ich
muss noch die Armenkasse verteilen.“
*
Sie verließen den Hauptmarkt und folgten einer schmalen
Gasse
nach
Westen.
Während sie liefen,
aß
Vell ihren
Kuchen und Adamus sorgte dafür, dass nichts davon übrig
blieb.
„ Meine Lieblingssorte“, fand er, „ ein Jammer, dass wir nicht
mehr davon haben.“
„Wo genau gehen wir denn hin?“
„ Zum Galgenmarkt. Heute existiert er nicht mehr, aber das
Leid ist noch immer geblieben.
Er liegt im Südviertel, wo früher der alte Hafen war. Heute
wohnen
dort arme Fischer und Muschelsucher
mit ihren
Familien.“
*
Die Wasserstraßen verzweigten sich. Die Gassen wurden
schmaler
und die Fassaden
wirkten
verfallen.
Von
den
Menschen, die ihnen unterwegs begegneten, waren viele
ausgemergelt und krank.
Die Armut war hier allgegenwärtig und alle Pracht schien
unendlich weit weg zu sein.
Aber Adamus hatte ein Ziel.
Nach einiger Zeit erreichten sie schließlich ein verwittertes
Tor. Von hier aus führten Treppen in ein Gewölbe. Dem
Geruch nach, war es der Eingang zur Kanalisation.
„ Du musst nicht mitkommen“, erklärte er, „ aber es wäre mir
lieber wenn ich dich in meiner Nähe wüsste.“
„ Mir auch“, versicherte Vell, „ ist es das etwa?“
„Ja. Und was immer du auch siehst, darf dir keine Angst
machen, hörst du?“
Er schickte sich an in das fremde Haus einzutreten.
„ Wartet!“, lief sie ihm nach.
Einzelne Öllampen
warfen
ihre
Schatten.
Und Stufen
führten hinab in die Dunkelheit. Doch das Schlimmste war
der Gestank.
„ Wer lebt hier unten? Etwa Menschen?“
„Menschen die keine andere Wahl haben. Und solche die die
Welt nicht sehen will. Also bleib immer in meiner Nähe und
du hast nichts zu befürchten.“
Vor ihr lag Finsternis
und der
Geruch
wurde immer
schlimmer.
Am
Ende der
Treppe folgte
schließlich
ein
Tunnel.
Auf
einmal vernahm
sie auch
Stimmen.
Fahle
Gestalten lösten sich aus der Dunkelheit. Es waren Männer,
Frauen und Kinder.
Die meisten trugen nichts als Lumpen am Körper. Sie sah
kranke und geschundene Leiber. In den Armen einer Alten
sah sie ein Baby. Sein Körper war blau. Es war ganz sicher
tot, vielleicht schon etliche Tage.
„ Oh mein Gott!“
Vell wollte weglaufen. Aber sie waren inzwischen umzingelt.
„ Erbarmen!“ , riefen sie, „ Erbarmen!“
Adamus holte den einen Beutel Münzen hervor und drückte
sie in ihre bittenden Hände. Aber es waren viele, viele
Gesichter und ihre Verzweiflung unendlich groß.
Auch an Velura hingen Finger
„ Ich hab nichts“, versicherte sie, „ ich habe kein Geld.“ Bald darauf hatte Adamus auch keines mehr.
„Das war alles!“, sprach er, „ möge Gott euch segnen.“ Er nahm Velura am Arm und bahnte seinen Weg bis zur
Treppe. Dennoch folgten ihnen manche nach, vor allem die
hungrigen Kinder. Aber sie hatten nichts mehr, nicht mal
mehr einen Krümel.
„ Na komm schon“, beruhigte sie Adamus, „ wir
müssen
gehen.“
Doch Vell fühlte sich leer, verzweifelt. Und als sie endlich
wieder
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