Augen der Nacht (Dunkelmond Saga) (German Edition)
Tageslicht sahen, kamen ihr auch die Tränen.
„ Schon gut. Es ist nicht deine Schuld.“
„ Warum hilft ihnen denn niemand? Sie sind noch so klein!“ „ Das versuche ich ja “, erwiderte Adamus, „ aber es reicht
nicht aus, um Tod und Armut für immer zu beenden. Dafür
gibt es einfach zu viele Menschen in dieser Stadt.“
„ Und was ist mit dem König? Den ganzen Reichen? Kein
Mensch müsste hungern, kein Kind müsste sterben, wenn sie
ihnen nur helfen würden.“
„Die meisten Menschen sind blind“, erwiderte Adamus, „ sie
sehen gerne Dinge, die ihnen Freude bereiten. “
„Aber dann muss ihnen jemand die Augen öffnen,
irgendjemand!“
„Du hast recht“, versicherte der Bruder, „ doch die wenigsten
sind wirklich bereit dazu. Und irgendwann begreift man dann,
wie alleine man ist.“
Vell versuchte zu vergessen, was sie gesehen hatte. Doch
während sie liefen, kreisten die Bilder in ihrem Kopf.
„ Warum weinen wir, wenn wir andere leiden sehen?“, fragte
Adamus, „ es ist ja nicht unser Leid.“
„ Weil es schrecklich ist.“
„ Und ob, doch warum?“
„ Warum was?“, fragte sie unwillig.
„ Warum ist es auch dein Leid?“, wiederholte Adamus mit
fester Stimme, „ warum kannst du es fühlen, obwohl es nicht
deines ist?“
Vell
hielt
nun
inne.
Sie fühlte Wut.
Aber
im
gleichen
Moment auch Gewissheit.
„ Weil ich mit ihnen verbunden bin ?“
„ Ja, so ist es“, sprach er erfreut, „ vergiss das nie, das ist eine
sehr wichtige Erkenntnis.“
„ Heißt das, sobald ich eine Entscheidung treffe, wirkt sich das
nicht nur auf mein Leben, sondern auch auf das von anderen
Menschen aus ?“
Der Mönch holte nun eine alte Silbermünze aus seinem
Gewand und gab sie in ihre Hand.
„ Wählst du Kopf oder Zahl ?“
Auf der einen Seite war eine geschwungene Eins und auf der
anderen der Zwölfstern Tarlonds zusehen.
„Den Stern “, erwiderte sie.
„ Tatsächlich? Dann
entscheidest du dich
also gegen
die
schöne Eins ? “
„ Aber so ist das nun mal bei Entscheidungen . Außerdem habt
ihr gesagt, der Stern würde Vollkommenheit bedeuten.“ „ Kannst du mir jetzt vielleicht sagen, gegen was genau du
dich entschieden hast?“ , fragte er eindringlich, „ warum bist
du nun hier?“
Vell war verwirrt. Die letzten Tage kamen ihr bereits wie
eine Ewigkeit vor. Doch sie versuchte sich zu erinnern.
„ Ich war sehr einsam, glaube ich und verloren.“
Der Mönch schmunzelte und nahm die Münze aus ihrer
Hand.
„ Na wer sagst denn“, sprach er lächelnd, „ gar keine schlechte
Wahl !“
Offenbarungen
Als sie gegen
Mittag den Bootssteg des
alten
Hauses
erreichten, wartete Tengol bereits am Ufer auf sie. Seinem
Ausdruck nach, stand er schon eine Weile dort.
„ Auf dem Hauptmarkt ist heute der Teufel los “, begrüßte ihn
Adamus, „ aber wie du siehst sind wir dennoch pünktlich
zurück. “
„ Ja “, knurrte Tengol, „ weil du weißt, dass mein Kopf auf dem
Spiel steht .“
Adamus lächelte und half Vell mit dem Ausladen.
„ Es liegt mir fern, deinen Auftrag zu gefährden “, versicherte
er, „ ich habe lediglich einer charmanten jungen Dame die
Stadt gezeigt.“
„ Na schön, dann ist es für heute genug mit den Ausflügen.
Und jetzt kommt, Rolin wartet schon.“
Beladen folgten sie Tengol ins Haus. Ein würziger Duft
bahnte sich in ihre Nasen. Er führte direkt in die Küche.
Dort stand der Naugrimm am Herdfeuer und rührte in
einem Kessel.
„ Setzt euch “, befahl Tengol, „ er wird launisch, wenn es ihm
anbrennt.“
„ Das duftet aber wunderbar !“, freute sich Adamus, „ was ist es
denn?“
„ Ein Geheimrezept“, erwiderte Rolin, „ dem
Hungrigen
schließt es den Magen und dem Verletzten die Wunde.“
„Dann nehme ich den Magen“, entschied Adamus, „ wenn wir
zusammen rutschen, ist genug Platz für uns alle.“
Bald saßen sie zu viert um den Tisch und kosteten Rolins
Eintopf. Nur einer fehlte, immer noch.
„ Er ist auf dem Dach “, erzählte Tengol, „ schon den ganzen
Vormittag. Von mir aus soll er dort bleiben, bis er verrottet.
Ich werde ihn dort sicher nicht runter holen.“
„Irgendwann kommt er schon“, schmatzte Rolin, „ spätestens,
wenn er Hunger hat.“
Vell
hatte
jede
Menge
davon.
Mit
großem
Appetit
verschlang sie ihre
Suppe,
während Rolin
die ganzen
Zutaten aufzählte. „ Vor allem Zwiebeln. Was aus der Erde
kommt, kann niemals Schaden.“
„ Ein gutes Stück Fleisch aber auch nicht“, fand Tengol, „ hab‘
schon lange
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