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Augen für den Fuchs

Titel: Augen für den Fuchs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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…«
    Die beiden begriffen sofort. Schwester Monique wollte mit aufgeblasenen Wangen zur Argumentation ausholen. Dr. Barthelmes stellte sich vor sie.
    »Sie sprechen von … Sterbehilfe ?« Er überdehnte die Pause. Das Wort hallte im Raum nach. »Das ist eine Straftat.«
    Kohlund wies dezent auf die Leiche. Frank Stuchlik lag da wie ein Vorwurf.
    »Ausgeschlossen.« Dr. Barthelmes wurde lauter. »In unserer Einrichtung ist so etwas noch nie vorgekommen. Auf dieser Station sind nur Mitarbeiter beschäftigt, die ich seit langem kenne. Wir wechseln das Personal nicht wie Kittel. Für alle lege ich meine Hand ins Feuer.«
    Verbrennen Sie sich nicht die Finger, war Kohlund versucht zu sagen. Die Schwestern Mord waren nicht selten. Oder auch mordende Krankenpfleger. Todesspritzen und Kopfkissen hatten serienweise Patienten ins Jenseits befördert. Diese Todesengel mordeten immer aus Mitleid. Sie mochten das Elend nicht mehr sehen, sie erlösten die Sterbenden. Das sagten sie alle vorm Staatsanwalt aus. Die Kriminalgeschichte kannte solche Fälle en masse. Immer wieder machten sie Schlagzeilen. In Berlin. In Wien. In Dresden-Neustadt.
    Kohlund sprach bedächtig, voller Verständnis. »Einer muss es getan haben. Ich unterstelle Ihnen nichts, aber in Betracht ziehen müssen wir auch diese These und das Personal des Zentrums.«
    »Dann stellen Sie Ihre Fragen.« Schwester Monique schob Dr. Barthelmes beiseite und baute sich vor Kohlund auf. Kurz sah es so aus, als wollte sie ihm eine Ohrfeige geben. Dann stemmte sie die Arme in ihre kräftigen Hüften. »Täglich stehe ich hier an den Betten und kann diesen Kranken nicht helfen. Trotzdem pflege ich sie mit meinem ganzen Herzen. Ich kann nicht anders. Auch Sie könnten es nicht!« Ihre Augen hielten ihn fest und schienen abgrundtief wie ein Gebirgssee. Eisig und blau.
    Kohlund hatte den Eindruck, dass er in ihr Innerstes blicken konnte, aber nichts genau erkannte. In ihrer Tiefe schien diese Frau empfindsam und sehr verletzlich. Am Grunde des Sees spiegelte sich wärmende Sonne. Ihn durchfuhr so etwas wie ein elektrischer Schlag. Als hätte er Schwester Monique bei etwas Intimem ertappt und nun schämte er sich, dass er es gesehen hatte. Sein Lächeln missglückte. Regentropfen prasselten gegen die Scheibe.
    »Guten Morgen!«
    Wie ein Messer zerschnitt der Gruß das Gespräch. Franziska Beetz stand in der Tür und strahlte fröhlich.
    »’tschuldigung Chef, aber haben Sie Bennewitz hinter Machern vermutet? Ich habe mich dreimal verfahren, und hätte ich nicht gefragt, würde ich immer noch rumkurven.«
    Obwohl die Kollegin fast eine Stunde nach ihm ankam, blieb Kohlund gelassen. Auch der Beetz hatte man den Sonntag zerstört. Doch sie schien diese Störung weitaus leichter zu nehmen als er. »Ich hab’s auch nicht sofort gefunden«, sagte er.
    »So ein Klotz auf der Wiese und nichts ausgeschildert.«
    »Seien Sie froh, dass Sie nicht öfter hierher müssen«, sagte Dr. Barthelmes. »Das Leiden unserer Patienten ist meist irreparabel. Wenn sie einmal hierhergefunden haben, dann kommen sie für Monate, wenn nicht Jahre, jede Woche. Immer wieder.«
    Die Kommissare schwiegen betreten. Die Beetz wischte mit ihrem Fuß unsichtbare Spuren auf das Linoleum.
    »Frank Stuchlik, schwer krebskrank, augenscheinlich erwürgt«, erklärte Kohlund und versuchte, die peinliche Stille zu überspielen. Franziska Beetz hängte ihre Handtasche über einen Stuhl und betrachtete den Toten.
    »Eigentlich kein Alter, um zu sterben«, sagte sie.
    »Gibt es eines, das passt?« Schwester Monique bildete mit dem Arzt eine Einheit, sie ließen sich ihre Arbeit nicht leicht reden. Nicht nur Krankenhauspersonal war täglich mit Elend und Leid konfrontiert. Sozialarbeiter, Bestatter, Friedhofsgärtner … Auch er oder die Beetz standen machtlos neben dem Schicksal. Sie kamen immer erst, wenn es zu spät war. Dr. Barthelmes und Schwester Monique konnten wenigstens manchmal noch Hoffnung auf Heilung haben. Die Mordkommission hatte keine Hoffnung. Wenn sie gerufen wurden, war das Schlimmste schon passiert. Kohlund fragte sich, was der tote Frank Stuchlik zu ihren Gesprächen vor seinem Bett sagen würde.
    »Wie lange hätte er noch zu leben gehabt?« Die Beetz blickte zur Schwester.
    Die zwang sich zu einem Lächeln. »Lange hätt’s nicht mehr gedauert. Wir haben täglich mit seinem Ableben gerechnet.«
    »Eigenartig, vorm Tod zu sterben.«
    Der Satz der Beetz klang wie eine Zeile aus Benns Gedicht oder

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