Augen für den Fuchs
Tisch in der Küche und rauchte. Vielleicht hatte der Durchzug mit den Türen geschlagen.
»Viel Erfolg«, sagte sie leise.
Miersch nickte und ging wortlos aus dem Haus.
2
»Kohlund. Kriminalpolizei.«
»Ich habe Sie verständigt. Sehen Sie diese Spuren?« Ein junger Herr Doktor, das Stethoskop um den Hals, in der Brusttasche Kuli und Spatel, wies mit dem Finger auf den Kopf einer Leiche. Dr. Barthelmes las der Kommissar am Revers des offenen Kittels. »Ich habe dafür keine Erklärung.«
Kohlund nickte. Krankenhaus, typisch. Die Atmosphäre war aseptisch, kaum menschlich. Ärzte und Schwestern wirkten gestresst. Dr. Barthelmes sprach wie vom Tonband. Kohlund roch Kampfer. Die Wände waren weiß gekachelt, auf einzelnen Kacheln Abziehbilder mit Fischen. Auf dem rollbaren Esstischchen vorm Bett des Toten befanden sich abgezählte Tabletten in Plasteschalen und eine Kaffeetasse mit braunem Rand. Auf der Platte stand ein Foto mit einem lachenden Kind. Fingerabdrücke waren darauf zu erkennen, vielleicht auch Lippen vom Kuss.
Daneben hing regungslos der Beutel am Tropf. Er schlug keine Blasen und heilte nichts mehr. Sein Schlauch aber führte noch immer in eine knorpelige Vene, fingerdick, blau. Der Patient lag friedlich im klinischen Bett unterm weißen Bezug. Abgezehrt, eingefallene Wangen, Leichenblässe. Die Haut Pergament, leicht zerreißbar. Nur der tiefrote Kreis um den Hals, der sich ins Violette zu verfärben begann, ließ auf einen unnatürlichen Tod schließen.
»Die Morgenschwester hat es entdeckt. Natürlich sind diese Symptome nicht.« Der Doktor atmete hektisch. Mit der Hand fuhr er sich durch die Haare.
»Wenn Sie es sagen.«
Jetzt drehte sich Dr. Barthelmes dem Kommissar zu, schluckte und suchte offensichtlich nach Worten für seine Empörung. Dann fuhr er sich resigniert nochmals durch die Haare.
Kohlund heftete seinen Blick auf die Augen des Toten. »Woran litt der Kranke?«
»Krebs. Endstadium. Das kann Tage, aber auch Monate dauern.«
Eine korpulente Schwester schob sich mit ihrem Gesäß ins Gespräch. Ihr Lächeln war professionell, wie gemeißelt. Die Augen blickten mitleidlos, kalt. Sie fragte den Kommissar: »Kann ich die Pietät jetzt bestellen, oder hat die Polizei eigene Wagen?«
»Zur Gerichtsmedizin.«
Die Schwester nickte und verschwand mit einem Handy am Ohr.
Dr. Barthelmes sagte leise: »Monique. Eine unserer Besten.«
Kohlund erschien Schwester Monique wie ein Automat, der emotionslos funktionierte. Sie hämmerte auf die Tasten eines Handys ein. Dann war Stille, und nur ihr Atem war zu hören.
Der Doktor blickte zum Toten. Dann schloss er die Augen. »Ich kann es mir nicht erklären. Stranguliert, aber kein Strick.«
Schwester Monique sprach leise und bestellte einen Krankenträger. Kohlund überlegte, ob der Diensthabende am Notruftelefon der Polizei die Gerichtsmedizin auch in ein Krankenhaus bestellte. Ein Leichenwagen war kaum nötig. Das Institut für Gerichtsmedizin lag keine hundert Meter entfernt. Und der behandelnde Arzt hegte dem Anschein nach dieselben Zweifel wie Kohlund. »Haben Sie eine Erklärung für diese Symptome?«
»Nein. Keine.« Dr. Barthelmes hustete leicht und öffnete die Augen wieder. »Zumindest deuten sie auf keine natürliche Todesursache.«
Schwester Monique gesellte sich wieder zu ihnen und hob bedauernd ihre Schultern. »Ich habe nur den Anrufbeantworter erreicht. Es ist Sonntagmorgen.«
»Ja«, sagte der Arzt abwesend.
Der Schwester schien die Situation peinlich. »Eigentlich sind Bestatter Tag und Nacht dienstbereit.«
»Die nicht. Wir schon.« Kohlund und seine Kollegen von der Mord zwo arbeiteten am Sonntag. Es war immer Sonntag, wenn Kommissare zum Tatort gerufen wurden. Jedenfalls kam es Lars Kohlund so vor. Er hatte Bereitschaft. Das Telefon hatte ihn nicht aus dem Schlaf, sondern aus trauter Gemeinsamkeit mit Alexia gerissen. Endlich ein Wochenende ohne Stress und ohne Kinder. Die hatten ihr eigenes Leben und am Sonntag was anderes vor, als mit Mutti und Vati am Frühstückstisch zu hocken. Gisbert paukte fürs Abitur und radelte sich schon am Morgen den Kopf frei. Charlotte war im Konzert gewesen und hatte bei einer Freundin übernachtet, die wahrscheinlich ein Freund war, vermutete der Vater.
Kohlund und Alexia wollten ihre freien Stunden genießen. Alexia war in seinen Augen noch immer schön und begehrenswert. Besonders in den Morgenstunden. Für ihn selbst war das unerklärlich, aber vielleicht erschien sie ihm nur im
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