Aus dem Jenseits verfolgt (German Edition)
Bill schaute sie mitleidig an und als ob sie nicht ganz bei Trost sei.
»Du glaubst mir nicht?«, fragte die junge Frau.
»Du hast einen Schock erlitten«, sagte der Collegelehrer. »Da bist du naturgemäß durcheinander.«
Phoebe stampfte mit dem Fuß auf.
»Damit du es weißt, ich habe mir das nicht eingebildet. Ich hörte Randys Stimme ganz deutlich. Dann bin ich fast verbrannt. Jemand – oder etwas – wollte mich umbringen.«
»Randy war dein Bruder, und er hat dich geliebt«, sagte Bill Jackson. »Weshalb sollte er dich denn töten wollen? Außerdem ist er tot. Wer tot ist, der kehrt nicht zurück.«
Phoebe schaute ihren Verlobten an. Sie schluchzte an seiner Schulter. Sie hatte tatsächlich einen Schock erlitten. Die Nervenanspannung löste sich durch das Weinen. Bill umarmte sie und strich ihr über die Haare.
»Es ist ja schon gut. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Der Sheriff wird feststellen, wie es zu dem Brand gekommen ist. Ob es vielleicht...«
Bill – eigentlich hieß er William Bruce mit Vornamen – verstummte. Er hatte sagen wollen, ob es sich vielleicht um eine Brandstiftung handeln könnte, wollte Phoebe jedoch nicht noch mehr ängstigen. Denn es gab Leute, die der jungen Frau feindlich gesinnt waren, weil sie die Schwester des Mörders Randolph Starr war. In dieser Ecke von Texas gab es noch, anderswo allerdings auch, verbohrte und engstirnige Gemüter, die eine Sippenhaft praktizierten.
Phoebe hatte in den letzten zwei Jahren die Hölle erlebt.
Die Flammen der brennenden Scheune loderten weniger hoch. Bill führte Phoebe ins Haus. Nachbarn und Neugierige schauten sie an.
Phoebe hörte jemanden sagen: »Sie sollte endlich aufgeben und die Farm verkaufen. Was will eine junge Frau allein mit so einer großen Farm? Aber sie ist eben eine Starr, und die sind alle nicht ganz normal.«
»Stimmt es, dass sie von der berüchtigten Wildwest-Banditin Belle Starr abstammt, die vier Ehemänner hatte und von ihrem letzten erschossen wurde, Mum?«, fragte ein halbwüchsiger Junge.
»Pst«, zischelte die Mutter. »Dass Belle Starr jeweils die Mutter war, das war ja gewiss. Aber von wem sie ihre vier Kinder hatte, das wissen die Götter.«
Phoebe war viel zu müde, um hinzugehen und jene dumme und unwissende Frau zur Rede zu stellen. Es gab noch mehr Starrs in Texas und hatte sie auch schon im vorigen Jahrhundert gegeben. Phoebe kannte ihre Familiengeschichte und wusste, dass jene berüchtigte Revolverheldin und Bank- und Postkutschenräuberin, die ein wildes und zügelloses Leben geführt hatte, nicht mal zu ihrer entfernten Verwandtschaft gehört.
Davon abgesehen wäre das hundert Jahre danach unerheblich gewesen. Jeder fand unter seinen Vorfahren irgendwelche Halunken oder Verbrecher, wenn er nur lange genug zurückging.
Old Grub, der Bullterrier, war wieder da. Phoebe streichelte ihn, als er sich an ihre Beine drängte.
»Wo bist du denn gewesen, Old Grub?«, fragte sie und nahm ihn mit ins Haus, damit er nicht am Ende noch einen der vielen Fremden auf dem Anwesen biss.
Der Hund konnte natürlich nicht antworten. Im Haus drinnen knurrte er Bill an. Phoebe wies ihn zurecht. Der Pit Bull war nämlich eifersüchtig auf ihren Geliebten. Er spürte mit feinem Instinkt, dass Phoebe dem Mann zugetan war. Für ihn war sie seine Herrin und ein höheres Wesen, dessen Zuneigung er nicht teilen wollte.
Im Haus kochte Phoebe gleich mehrere Kannen Kaffee und bereitete einen kräftigen Imbiss für die Feuerwehrleute vor. Die Sonne ging schon wie ein blutroter Ball über den Anacacho Mountains im Westen auf. Ein strahlendes Morgenrot kündigte einen schönen Tag an.
Bill half seiner Geliebten. Sonst war niemand bereit.
Da klopfte es an der Haustür.
»Ich bin es, Phoebe, Ted Addams!«, rief eine Männerstimme. »Kann ich reinkommen?«
»Dürfen tust du, ob du es auch kannst, musst du selbst wissen«, antwortete Phoebe. »Grub, sitz!«
Der Pit Bull gehorchte. Ted Addams trat ein. Sofort fing der Hund an zu knurren.
»Old Grub ist durch das Feuer verstört«, sagte Phoebe und hielt den Pit Bull am Halsband fest.
Ein solcher Hund war gefährlich. Nicht sehr groß und gedrungen, war er ein unerschrockener Kämpfer, der sogar einen wilden Wolf oder einen Grizzly angegriffen hätte. Einmal in Blutrausch geraten, war ein Pit Bull außer durch rabiateste Mittel wie Schüsse oder Keulenschläge kaum noch zu stoppen. Mit seinem Gebiss konnte er glatt ein Pferdebein zerknacken.
Ein unbewaffneter Mann,
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