Aus den Augen (T-FLAC) (German Edition)
entschlossen, das Spiel mitzumachen. Jetzt war es an ihr, die Regeln zu lernen.
Sie räusperte sich. »Wessen Zunge?«
»Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Strubens oder die des Hausdieners.«
»Gott, was ist das für ein Geruch?« Sie runzelte die Stirn und rieb sie sich geistesabwesend. »Egal. Lass uns die Durchsuchung hinter uns bringen. Ich bezweifle, dass sie irgendwelche anderen Beweisstücke dagelassen haben, aber nachsehen müssen wir trotzdem. Ich nehme dieses Zimmer. Du nimmst das da.«
»Ja, Madam«, sagte er lakonisch. Er hatte das Schlafzimmer nebenan zugeteilt bekommen, die Hauptquelle des Gestanks, wie er vermutete.
Die Waffe im Anschlag bewegte er sich durch die Tür. Sein Blick war schnell und allumfassend.
In Bett hatte jemand geschlafen. Struben. Er hatte ein Nickerchen gemacht und war überrascht worden. Seine Pistole lag neben den verstreuten Kissen, er hatte keine Zeit mehr gehabt, sie abzufeuern.
Die Fußabdrücke auf dem Teppich wiesen auf mindestens vier weitere Männer hin. Sie hatten Struben an der Wand gegenüber windelweich geprügelt - die Blutspritzer deuteten auf rohe Gewalt, vermutlich durch viele Faustschläge. Dann hatten sie ihn über den Teppich gezogen - hier, noch ein paar Kampfspuren und wieder Blut. Jede Menge Blut. Frisch. Das Blut und die Flüssigkeit eines ganzen Körpers in einer Pfütze auf dem verfilzten Teppich.
Kane drehte sich der Magen um. Sie hatten den Mann, zerschmettert und blutend, ins Wohnzimmer gezerrt, um ihn zu verhören. Als er sich geweigert hatte, zu reden, hatten sie ihm auf dem Sofa die Zunge herausgeschnitten, um zu zeigen, dass sie es ernst meinten. Dann hatten sie ihn ins Schlafzimmer zurückgebracht. Kane konnte genau sehen, was sich abgespielt hatte. Es lief wie ein Video durch seinen Kopf.
Struben war noch am Leben gewesen. Seine Fingernägel hatten auf beiden Seiten des Körpers Furchen in den stumpfen Teppich gegraben, während er blutend dagelegen hatte. Er hatte versucht zu kriechen. War zusammengebrochen. Da. Und da.
Dann hatten sie ihn getötet. Genau hier . Einen Meter von seiner geladenen Waffe entfernt.
Der faulige Geruch kam aus dem angrenzenden Badezimmer. Die Tür war angelehnt. Kane trat dagegen. Fest.
Sie klemmte.
Bingo.
Er stemmte die Schulter in den zwanzig Zentimeter breiten Spalt und warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Tür, um sie weit genug aufzubekommen, um hineinsehen zu können.
Struben. Oder das, was noch von ihm übrig war.
»Du bist nicht gerade still in die Nacht gegangen, armer Junge.«
Er war verblutet, aber die Abwehrspuren an seinen Händen zeigten, dass er ein paar ordentliche Schläge gesetzt hatte. Zu wenige und zu spät.
»Ist da irgendwas?«, rief AJ und kam lautlos ins Schlafzimmer.
»Komm nicht hier rein.« Kanes Stimme war grimmig. Bis jetzt war sie cool geblieben, aber das würde ihr den Rest geben.
»Warum nicht?« Sie zog die Augen zusammen, dann fiel der Groschen. »Oh, verdammt. Wer?«
»Struben.«
»Lass mich da rein.« Sie stand hinter ihm und legte die Hand auf seinen Arm. »Du musst den Räumtrupp rufen.«
Kane betrachtete die Finger, die den schwarzen Stoff auf seinem Unterarm berührten. Die schmale Hand war schmutzig, die kurzen Nägel abgebrochen und eingerissen. Er wusste nicht, warum ihm in diesem Moment auffiel, wie zerbrechlich ihre Hand aussah. Er wusste nur, er konnte sie nicht sehen lassen, was diese Kerle Richard Struben angetan hatten.
»Ihm ist nicht mehr zu helfen«, sagte er kategorisch und stellte sich auf Tränen und einen hysterischen Anfall ein.
»Ja, ich weiß«, sagte sie sanft, doch er sah einen Schauer über ihren Körper laufen. »Tote Einsatzkräfte sind in unserem Geschäft die unerfreuliche Realität, nicht wahr?« Die Kontur ihrer vollen Lippen war weiß, und ein rasender Pulsschlag bebte an ihrem zarten Hals, während sie aufrecht wie ein Soldat das Blutbad betrachtete. »Der Umgang damit wird im Lauf der Zeit nicht leichter, oder?«
»Warte drüben im anderen Zimmer.«
»Ist schon okay. Ich bin okay. Lass mich das machen.« Sie sah ihn mit kühlen grünen Augen an, die um verdammt vieles standhafter wirkten, als er erwartet hatte.
Sie hatte dem Tod vor ein paar Monaten persönlich und aus nächster Nähe ins Auge gesehen. Sollte ihr Therapeut Recht gehabt haben? Hatte sie es aufgearbeitet? Gestern hätte Kane noch nein gesagt. Aber jetzt? Vielleicht. Er trat, neugierig geworden, zur Seite. AJ schob sich an ihm vorbei durch den
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