Ausgekocht: Ein Mira-Valensky-Krimi
es?«
Ich zucke mit den Schultern. »Weiß nicht. Die Lage spitzt sich zu, würde ich sagen. Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass wir Josef Dvorak gefunden haben.« Diesen Köder werfe ich ihm ganz bewusst hin.
»Ja, war sehr in Ordnung. Gute Leistung.«
»Wenn sich etwas tut: Habe ich die Chance, darüber auch im nächsten Heft noch groß zu berichten?«
»Hängt davon ab, ob Sie mehr wissen als die anderen … Wissen Sie jetzt schon etwas, was Sie nicht sagen wollen?«
»Nein.«
Er entlässt mich wieder, und ich frage mich, warum ich ihn warnen wollte. Oder vorinformieren, wie man es nimmt.
Ich hetze zum Gericht und schaffe es gerade noch, Billy im Vorraum zum Verhandlungssaal zu erwischen. Sie trägt ein dunkles Kostüm, in dem sie winzig und zu jung für einen dreizehnjährigen Sohn wirkt. Sie ist sichtlich nervös. Trotzdem halte ich ihr das Interview unter die Nase. Erst mit ihrem Okay dürfen meine Texte ins Layout gehen, habe ich Felix eingeschärft.
Sie wirft einen Blick darauf, ohne zu lesen. »Ist in Ordnung.«
»Du solltest es durchsehen. Da steht, dass du momentan im Wirtshaus übernachtest. Und dass du dich durch eine tote Hand nicht einschüchtern lässt.«
»Du weißt schon, was am besten ist.«
Hoffentlich. Ich rufe Felix an und gebe den Text frei.
Um eine Biegung des Ganges kommt Billys Exmann mit seiner Frau. Schon von weitem sieht man, dass ihr Outfit kostspielig ist: der Schnitt, die Art, wie der Stoff fällt. Ihre Figur ist höchstens mittelprächtig. Billys Ex trägt Anzug und Krawatte, er fühlt sich sichtlich nicht wohl in seinem Aufzug. Jedes Signal, jede Einzelheit kann zählen. Hannes selbst hat schon ausgesagt, man hat darauf verzichtet, ihn für heute noch einmal zu laden. Billy drückt mir die Hand, klammert sich an mich.
Gemeinsam kommen die Anwälte den Gang entlanggeeilt. Sie scheinen sich gut zu verstehen, man trifft sich wohl häufig vor Gericht. Einer geht zu Billys Ex, der andere, jüngere, kommt auf sie zu. Ich nehme sie kurz in die Arme, gehe, zeige am Eingang meinen Journalistenausweis und setze mich in die Zuschauerbank.
Billy kommt in den Verhandlungssaal, sie sieht starr und angestrengt geradeaus, so als wäre sie die Angeklagte in einem amerikanischen Gerichtsfilm.
Es läuft, wie erwartet. Der Anwalt ihres Exmannes versucht alles, um ihre Existenz als zwielichtig und ungesichert darzustellen. Er bezeichnet sie sogar als Mordverdächtige und berichtet darüber, dass der Apfelbaum wegen der »dubiosen Vorfälle« habe geschlossen werden müssen. Ein Bild wird präsentiert, auf dem die Eingangstür des Wirtshauses mit dem Schild »Geschlossen« zu sehen ist.
Billy will aufspringen, ihr Anwalt hält sie zurück.
Ihr Exmann beschreibt sein Haus in den glühendsten Farben, außerdem gebe es ein Kindermädchen und alles, was sich ein Bub im Alter von dreizehn nur wünschen könne.
»Er hat selbst gesagt, dass er gerne bei uns ist. Meine Frau kann leider keine Kinder bekommen, sie liebt ihn wie ihr eigenes.«
»Auf Besuch! Nur auf Besuch ist er gerne da! Und weil ihr ihn verwöhnt!«, schreit Billy dazwischen und wird von der Richterin verwarnt.
Später ist Billy an der Reihe. Sie versucht die Anschuldigungen des Anwaltes zu entkräften. Der Apfelbaum sei und bleibe offen. Man solle den Leiter der Mordkommission 1 als Zeugen nehmen: Sie sei keine Mordverdächtige.
Ich halte ihr die Daumen. Sie darf sich nicht bloß verteidigen, sie muss auch sagen, warum es für Hannes besser ist, mit ihr zu leben.
»Zwölf Jahre hat sich mein Exmann nicht um Hannes bemüht. Nicht, als wir verheiratet waren, und nicht, nachdem wir geschieden waren. Ich akzeptiere, dass er sich nun mehr um ihn kümmern möchte, ich freue mich sogar darüber. Aber: Ich habe mit Hannes all die Jahre gelebt und möchte es weiterhin tun. Ich habe keine Villa und kann mir kein Kindermädchen leisten, doch ich liebe ihn. Und ich habe in all den Jahren gelernt, mir die Zeit so einzuteilen, dass er niemals zu kurz kommt.«
Mich hat Billy überzeugt, aber das war auch nicht weiter schwierig.
Die Richterin hakt dennoch bei den Vorfällen rund um den Apfelbaum ein. Ob sie bereits geklärt seien? Ob weiterhin die Gefahr von Anschlägen bestehe?
Billy räuspert sich. »Sie sind noch nicht geklärt. Aber …« – sie dreht sich um und sieht mich an – »… das könnte bald der Fall sein. Hannes ist noch in einem Ferienlager. Solange die geringste Gefahr für ihn besteht, wird er nicht im Lokal
Weitere Kostenlose Bücher