Die programmierten Musen
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Gaspard de la Nuit, Gesellenschriftsteller, fuhr mit einem Putzlappen über die schimmernde Messingverkleidung seiner hochaufragenden Wortmaschine und legte dabei die gleiche geistesabwesende Zärtlichkeit an den Tag, mit der er noch am gleichen Vormittag die glatte, weiche, ausschwingende Flanke der Meisterautorin Heloise Ibsen streicheln würde. Automatisch überprüfte er die Reihen der unzähligen Anzeigelämpchen (ausnahmslos dunkel) und die Serien der Instrumentenskalen (sämtlich auf Null) an der zweistöckigen Stirnseite der elektronischen Maschine. Dann gähnte er und massierte sich die Halsmuskeln.
Er hatte seine Nachtschicht mit Dösen, Kaffeetrinken und Lesen zugebracht, wobei er heute die Titel Sünder der Satellitenstädte und Jedermanns Philosophie geschafft hatte. Ein Autor konnte sich gar kein schöneres Arbeiten wünschen.
Er warf den Lappen in eine Schublade seines uralten Tisches. Kritisch betrachtete er sich in einem kleinen Spiegel, fuhr sich mit den Fingern durch das dunkle, wellige Haar, zupfte die Kräuselfalten seiner auffallend großen schwarzen Seidenkrawatte zurecht und knöpfte sorgsam den aufgesetzten Goldschnurverschluß seiner Samtjacke zu.
Dann ging er mit schnellen Schritten zur Stechuhr und meldete sich ab. Seine Ablösung für die Tagesschicht war bereits zwanzig Sekunden über die Zeit, aber darüber sollte sich das Disziplinarkomitee der Gewerkschaft den Kopf zerbrechen; seine Angelegenheit war es nicht.
Kurz vor der Tür des kirchenähnlichen Raumes, in dem die sechs orgelgroßen Wortmaschinen des Raketen-Verlages und der Protonen-Presse untergebracht waren, blieb er stehen und ließ das Ooh und Aah einer Gruppe von Frühbesuchern an sich vorüberziehen, die von dem müde aussehenden Wächter-Joe herumgeführt wurde – einem gebeugten alten Mann, der es fast mit den Autoren aufnehmen konnte, wenn es darum ging, bei der Arbeit zu schlafen. Gaspard war froh, daß er die idiotischen Fragen der Besucher nicht über sich ergehen lassen mußte (Woher haben Sie die Ideen, die Sie in Ihre Wortmaschinen eingeben, Mister?), ganz zu schweigen von dem mißtrauisch-erregten Gestarre (unter anderem hielt sich in der Öffentlichkeit der Glaube, alle Schriftsteller wären Sexprotze, was doch irgendwie übertrieben war). Besonders freute es ihn, der unangenehmen Neugier eines Mannes und eines Jungen zu entgehen, die passende Vater-und-Sohn-Hosenanzüge trugen; der Mann machte sehr viel Aufhebens um jede Kleinigkeit und gab sich allwissend, während der Junge mürrisch und gelangweilt war. Gaspard hoffte, Wächter-Joe würde wenigstens darauf achten, daß der Junge nicht an seiner geliebten Maschine herumspielte.
Angesichts des Publikums konnte Gaspard nicht umhin, seine große sattbraune Meerschaumpfeife hervorzuholen, den aus Silberdraht geflochtenen Deckel aufzuklappen und ein Stück Würfeltabak aus seinem goldbestickten Seehundsfellbeutel zu holen. Während dieser anstrengenden Tätigkeit legte er sich ein leichtes Stirnrunzeln zu. Daß er dieses teutonische Monstrum rauchen mußte, war so etwa der einzige Einwand, den er gegen seinen Beruf als Schriftsteller hatte, wenn ihm auch die vorgeschriebene Gecken-Kleidung nicht recht behagte. Aber die Verleger blieben hart, wenn es um solche vertraglichen Belanglosigkeiten ging, wie sie auch von jedem Autor verlangten, seine volle Schicht abzusitzen, ob seine Wortmaschinen nun arbeiteten oder nicht.
Aber was sollte es, überlegte er mit einem Lächeln. Bald wurde er zum Meisterautor befördert und erhielt dann die Lizenz, Blue jeans und ein enges Hemd zu tragen, sich einen Bürstenhaarschnitt zuzulegen und in der Öffentlichkeit Zigaretten zu rauchen. Auch war er als Geselle schon viel besser dran als die Lehrlingsschreiber, von denen im allgemeinen verlangt wurde, ein Kostüm zu tragen – beispielsweise eine griechische Tunika, eine römische Toga, eine Mönchskutte oder Wams und Hose mit gestärktem weißen Kräuselkra gen. Gaspard hatte auch einen armen Schreiberteufel ge kannt, dem gewerkschaftliche Spaßmacher einen Pas sus in den Vertrag geschmuggelt hatten, wonach er sich als Babylonier zu kleiden und stets drei Steinplatten und einen Meißel bei sich zu tragen hatte. Auch wenn man zugestand, daß die Öffentlichkeit von ihren Schriftstellern eine gewisse Atmosphäre erwarten konnte, ging das doch unnötig weit.
Alles in allem führten die Autoren jedoch ein derart angenehmes Leben, daß Gaspard nicht begreifen konn te, warum
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