9 SCIENCE FICTION-STORIES
Kampf gegen die Unsterblichkeit
von
CLIFFORD D. SIMAK
Man starb nicht.
Es gab keinen normalen Tod.
Man lebte möglichst waghalsig und leichtsinnig und hoffte, daß man eines Tages durchweinen Unfall ums Leben kam.
Man lebte weiter, und das Leben hing einem zum Halse heraus.
»Mein Gott, wie satt man das Leben bekommen kann«, sagte Andrew Young.
John Riggs, der Vorsitzende der Unsterblichkeitskommission, räusperte sich.
»Sie sind sich doch im klaren darüber, daß die Bittschrift, die Sie uns da vorlegen, sehr ungewöhnlich ist«, sagte er zu Andrew Young.
Er nahm den Papierstoß von seinem Schreibtisch und blätterte ihn flüchtig durch.
»Es gibt keinen Präzedenzfall«, setzte er hinzu.
»Ich hoffte, einen Präzedenzfall zu schaffen«, erwiderte Andrew Young.
Kommissionsmitglied Stanford ergriff das Wort.
»Ich muß sagen, Ahnherr Young, daß uns Ihr Fall beeindruckt hat. Aber Sie dürfen nicht vergessen, daß die Kommission kein Recht über ein Menschenleben hat. Sie sorgt lediglich dafür, daß jedermann die Vorteile der Unsterblichkeit voll ausnutzen kann, und sie sorgt dafür, daß auftretende Schwierigkeiten beseitigt werden.«
»Ich weiß das sehr gut«, antwortete Young. »Und mir scheint, daß mein Fall eine der Schwierigkeiten darstellt.«
Er stand schweigend da und beobachtete die Gesichter der Vorstandsmitglieder. Sie haben Angst, dachte er. Jeder einzelne hat Angst. Angst vor dem Tag, an dem sie das gleiche durchmachen wie ich. Sie haben nach einer Antwort gesucht, und sie finden keine außer der einen armseligen, der einen brutalen Antwort, die ich ihnen gegeben habe.
»Ich verlange etwas Einfaches«, erklärte er ihnen ruhig. »Ich habe darum gebeten, mein Leben beenden zu dürfen. Und da Selbstmord psychologisch unmöglich gemacht worden ist, habe ich die Kommission darum ersucht, ein paar Freunde zu ernennen, die das Nötige für meinen Tod veranlassen.«
»Wenn wir es täten«, sagte Riggs, »würden wir alles zerstören, was wir besitzen. Ein Leben von nur fünftausend Jahren hat keinen Sinn. Ebensowenig wie ein Leben von nur hundert Jahren.«
»Und trotzdem«, sagte Young. »Alle meine Freunde sind tot.«
Er deutete auf die Blätter, die Riggs in den Händen hielt.
»Ich habe sie hier aufgeschrieben«, sagte er. »Ihre Namen und wann und wo und wie sie starben. Sehen Sie sich die Liste an. Mehr als zweihundert Namen. Leute meiner und nicht der darauffolgenden Generationen. Ihre Namen und die Fotokopien ihrer Totenscheine.«
Er legte die Hände auf den Tisch und stützte sich mit den Handflächen ab.
»Sehen Sie sich an, wie sie starben«, sagte er. »Jeder durch einen Unfall. Einige fuhren ihre Wagen zu schnell und vermutlich zu leichtsinnig. Einer fiel von einer Klippe, als er sich nach einer Blume bückte, die ganz am Rand wuchs. Sehr schlechtes Einschätzungsvermögen, würde ich sagen. Einer war stockbetrunken, nahm ein Bad und schlief in der Wanne ein. Er ertrank …«
»Ahnherr Young«, sagte Riggs scharf. »Sie wollen doch nicht andeuten, daß diese Leute Selbstmord begingen?«
»Nein«, sagte Andrew Young bitter. »Wir haben den Selbstmord vor dreitausend Jahren abgeschafft. Wir haben ihn aus unserem Gehirn gelöscht. Wie könnten sie Selbstmord begangen haben?«
Standorf sah den alten Mann an. »Sir«, sagte er. »Ich glaube, Sie waren im Aufsichtsrat, als diese Maßnahme beschlossen wurde.«
Andrew Young nickte.
»Es war nach der ersten Welle von Selbstmorden. Ich kann mich gut daran erinnern. Es war eine jahrelange Arbeit. Wir mußten die menschliche Perspektive ändern, gewisse Aspekte der menschlichen Natur verschieben. Wir mußten das Denken durch Erziehung und Propaganda umformen und eine neue
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