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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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mit. Eröffne ein Konto bei einer Bank in Toronto und lass dir das Geld überweisen. Die werden dich ausrauben und umbringen, noch bevor du richtig angekommen bist!«
    Aber Walker blieb stur. Er wollte nicht das ganze Theater mit der Bank, er würde sofort acht-, neunhundert Dollar für die erste Monatsmiete und die Kaution brauchen, und wenn er auch ein paar Tage auf seinem mitgebrachten Bettzeug auf dem Boden schlafen und in einer Kneipe essen konnte, würde er sich doch bald ein richtiges Bett anschaffen müssen, und einen Topf und einen Wasserkocher und einen Löffel und ein Messer und …
    »Wird schon schiefgehen, Mom«, hatte er gesagt und seine Hand auf die ihre gelegt.
    Ein altes chinesisches Pärchen ging Arm in Arm über die Kreuzung in der Nähe des Busbahnhofs. Sie sahen Walker nicht an. Sie sahen niemanden an. Walker sollte in den nächsten paar Tagen lernen, dass einen in der Stadt, mit Ausnahme von Nutten, Schnorrern und Irren, selten jemand ansah.
    »Können Sie mir vielleicht sagen, wo die Church Street ist?«, fragte Walker.
    Die alte Frau zog ihren krummbeinigen Gemahl nahe an sich heran und ging weiter. Der Mann sah auf, ein plötzliches zahnloses Lächeln glitt über sein Gesicht, und er deutete über seine Schulter.
    »Danke«, sagte Walker.
    Er überquerte die Straße und ging in die angezeigte Richtung, nach Osten, obwohl er das nicht wusste. Er schritt in lockerem Gang dahin, froh, seine Glieder wieder strecken zu können. Die warme Stadtluft füllte seine Lunge und roch seltsamerweise schwach nach frisch gebackenem Brot. Er hatte nicht daran gedacht zu fragen, ob die Church Street zwei oder zwanzig Häuserblocks entfernt war. Er hatte einfach angenommen, dass sie, wo sie auch sein mochte, auf jeden Fall zu Fuß erreichbar wäre. Er war auf eisverkrusteten Schneeschuhen meilenweit durch Erlengestrüpp und über gefrorenes Sumpfland marschiert, hartnäckig der Route folgend, entlang der Gerard Devereaux gerne Fallen aufstellte, um sich ein Zubrot zu verdienen. Durch eine Stadt zu wandern, egal wie weit, musste ein Kinderspiel sein.
    Als die Unterlagen über Walkers endgültige Adoption angekommen waren, im Juni vor seinem dreizehnten Geburtstag, hatte die Familie Devereaux eine Party gegeben. Seine kleinen Schwestern hatten ihm witzige Geschenke gemacht, wie zum Beispiel eine Dose Schälerbsensuppe, weil er ja jetzt halb Frankokanadier (väterlicherseits) war, und eine Schachtel Tee, weil er zur anderen Hälfte Anglokanadier (mütterlicherseits) war. Seine älteste Schwester hatte ihm eine große, blaue selbstgestrickte Babymütze geschenkt. Walker hatte sich bei ihr bedankt und sich die Mütze über den Kopf gezogen. Jeder hatte eine Rede gehalten, überraschenderweise sogar Gerard.
    Als er jetzt an den beleuchteten Schaufenstern vorüberging, hatte Walker ein schlechtes Gewissen. Seit Wochen hatte er ihnen Lügen darüber aufgetischt, warum er nach Toronto wollte, hatte etwas von rauskommen, seinen Horizont erweitern, Unabhängigkeit testen dahergeredet.
    In Wahrheit war er nach Toronto gekommen, um seine richtige Mutter zu suchen – die, die sich vor sechzehn Jahren über ihn gebeugt hatte, die dunkle Schattenfrau, die rätselhafte Erscheinung, die ihm ins Ohr geflüstert hatte: »Halt dich fest, halt dich ganz fest.«
    Letzten Sommer – am Tag, nach dem Walker seinen achtzehnten Geburtstag gefeiert und damit das gesetzliche Mindestalter erreicht hatte, um Einblick in seine Akte im Büro des Jugendamts in Sudbury nehmen zu dürfen – hatten er und Stewey sich in Walkers verrosteten Pick-up gesetzt und auf den langen Weg nach Sudbury gemacht. Irgendwie schien es angebracht. Eine Art Volljährigkeitsritus.
    Das Jugendamt war in einem alten zweistöckigen Gebäude aus gelben Ziegeln mit Reihen kleiner Fenster. Die Kinderzeichnung eines windschiefen Hauses, aus dessen Schornstein Rauchwölkchen schwebten, klebte an der gläsernen Eingangstür. Walker erkannte das Gebäude nicht wieder, obwohl er wusste, dass er zumindest einmal schon hier gewesen war, nämlich als er drei war.
    Heather Duncan erkannte er jedoch, und sie ihn. Er hatte in der vergangenen Woche angerufen, und sie wusste, dass er kommen würde. Trotzdem sagte sie, dass sie ihn überall wiedererkannt hätte. Sie stand kurz vor der Pensionierung – ihr Haar war nun nicht mehr braun, sondern stahlgrau –, aber ihre Augen hinter den Gläsern mit dem Schildpattgestell waren die alten, ebenso ihre herzhafte Umarmung.
    Ihm war

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