Aussicht auf Sternschnuppen
auf die Unterlippe. „Olli, ich muss weiter. Lilly und ich sind noch zum Mittagessen verabredet. War schön dich getroffen zu haben.“ Gott möge mir diese unsagbar große Lüge verzeihen!
Olli zuckte mit den Schultern. „Kein Problem. Hätte dich eben fast gar nicht erkannt. Ich hatte dich gar nicht so füllig in Erinnerung.“ Er lächelte mich an.
Fasziniert bemerkte ich, dass dabei seine Mundwinkel immer noch nach unten zeigten. Füllig! Klar! Ich presste die Lippen zusammen, um nicht laut loszulachen.
Ich schaffte es noch bis kurz hinter das Kaufhaus, meine Fassade aufrecht zu halten. Doch kaum hatte ich den Fischbrunnen erreicht, ließ ich mich auf dessen Mauer sinken und es schoss aus mir heraus. Ich lachte so laut und heftig, dass mir die Tränen über die Wangen liefen und ich mehrmals nach Luft schnappen musste, um wieder zu Atem zu kommen. Lilly beobachtete mich besorgt.
Erst nach mehreren Minuten merkte ich, dass sich der unbändige Lachreiz in mir legte, und ich wischte mir die Tränen aus den Augen.
„Geht es dir gut?“, fragte Lilly vorsichtig.
„Nun ja, so gut wie es einem geht, wenn man seinem Exfreund begegnet und dieser Miss Universum an seiner Seite hat, man selbst aber Unterwäsche in XXL in der Hand hält.“
„Ach, so schön war seine Neue auch wieder nicht. Und die Slips in deiner Hand haben winzig ausgesehen“, versuchte Lilly abzuschwächen.
„Du brauchst mich nicht zu trösten. Dieser Moment war einfach nur grotesk. Aber auch heilsam.“
„Wieso das?“
„Ich hatte die ganze Zeit über Angst davor, Olli wiederzusehen. Aber jetzt bin ich froh, dass ich es hinter mir habe. Hast du gehört, wie Ollis neue Freundin geredet hat? Und hast du gesehen, dass sich Ollis Mundwinkel selbst beim Lachen kein bisschen nach oben gezogen haben? Und dann auch noch dieses Wort. Füllig! Was für ein Idiot!“ Ich begann erneut zu lachen.
Nur eine Woche später lernte ich wieder einen Mann kennen. Sebastian Nebert. Er war in einem meiner Wochenendseminare gewesen und lud mich am Ende unseres gemeinsamen Tages noch auf einen Salat im trendigen Nage und Sauge im Münchner Stadtteil Lehel ein.
„Dies ist eines meiner Lieblingsrestaurants“, erklärte er mir, als wir Samstagsabend bei gedämpftem Licht in dem proppevollen Szenerestaurant saßen und ich mich nicht so recht zwischen Salat Olpe mit gegrillten Zucchini und Kichererbsen oder Salat Rosmarino mit Kartoffeln und Bohnen entscheiden konnte.
„Meines auch. Ich finde, hier haben sie die beste Pasta und die besten Salate der Stadt. Und es schmeckt einfach alles. Selbst so exotische Dinge wie Fenchelpüree und Kürbisparfait“, sagte ich.
„Dann sind Sie öfter hier?“
„Nein, leider nicht. Meistens nur, wenn ich in die Stadt muss, und das ist nur selten der Fall. Ich gehe nicht gerne einkaufen.“
„Ich auch nicht.“ Er lächelte mich an. „Aber das ist bei Männern wohl auch nicht ganz so ungewöhnlich wie bei Frauen. Was machen Sie dann in ihrer Freizeit?“
Ich überlegte kurz. „Vieles. Fahrrad fahren, joggen, essen gehen, lesen, Kino.“
„Mainstream-Filme oder eher Independent?“
„Beides. Am liebsten aber Filme mit Angelina Jolie oder Scarlett Johansson.“
„Genau das sind auch meine Lieblingsschauspielerinnen. Welcher Film mit Scarlett Johansson hat Ihnen am besten gefallen?“
„Ganz klar Lost in Translation . Und verraten Sie mich nicht: Der Pferdeflüsterer .“
Er lachte.
„Ansonsten gehe ich gerne ins Museum, am liebsten in die Pinakothek der Moderne.“
„Sie mögen Kunst? Ich auch. Früher wollte ich am liebsten Grafikdesign studieren. Aber dann habe ich mich doch breit schlagen lassen, in die Kanzlei meines Vaters einzusteigen. Jetzt male ich nur noch hin und wieder zur Entspannung.“
„Ein malender Rechtsanwalt. Das ist ungewöhnlich.“
„Nicht weniger als eine attraktive Gewerkschafterin.“ Er lächelte charmant. „Wir scheinen eine ganze Menge Gemeinsamkeiten zu haben.“
Am Ende des Abends fragte Sebastian mich, ob wir uns nächstes Wochenende wiedersehen könnten.
„Haben Sie Lust, mit mir in die Pinakothek zu gehen? Oder ins Kino? Wir könnten uns The Tourist mit Angelina Jolie und Johnny Depp anschauen. Wussten Sie, dass ein Deutscher bei diesem Film Regie geführt hat?“
Ich wollte schon zusagen, doch dann fiel mir Nils ein. Wie er am Gardasee mit mir zusammen auf einem Steg gesessen und mir erzählte hatte, wie gerne er selbst hinter statt vor der Kamera stehen würde.
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