Aussicht auf Sternschnuppen
wahrscheinlich blau vor Kälte. Denn obwohl der rote Teppich durch einen weißen Plastiktunnel notdürftig gegen äußere Einflüsse abgeschirmt war und ich zu meinem dünnen Kleid Mantel und Winterstiefeln trug, fror ich ganz erbärmlich.
Nach und nach füllte sich der Platz vor dem Teppich und ich fühlte mich zunehmend wie ein Huhn in einer Legebatterie. Doch zumindest wurde mir mollig warm. Rechts von mir packte gerade das Filmteam von RTL seine Ausrüstung aus.
„Na, Mädchen, dat erste Mal bei solch einer Veranstaltung?“, fragte der Kameramann. Er hatte blonde fusselige Haare und sah aus wie Karl Dall.
„Sieht man mir das an?“
„Du stehst ein wenig verloren herum.“
„Ja, es ist tatsächlich mein erstes Mal.“ Verlegen drehte ich mein Mikrofon hin und her. „Meine Kollegin“, ich zeigte auf Fee, die in ein angeregtes Gespräch mit der Bunte-Redakteurin zu unserer Linken führte, „hat mir gesagt, welche Fragen ich stellen muss, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es schaffe, mich gegen diese ganze Pressemeute durchzusetzen.“
Kameramann Karl grinste. „Du machst das schon, Mädchen.“ Er zwinkerte mir aufmunternd zu.
Fee hatte tatsächlich darauf bestanden, dass ich selbst auch Interviews führte, denn das hätte ihre Assistentin Karin schließlich auch getan. Sie selbst wollte sich voll und ganz auf die männlichen Film- und Fernsehgrößen konzentrieren. Ich dagegen sollte die weiblichen Stars fragen, ob sie vorhätten, zu tanzen oder wie lange sie gebraucht hatten, um sich für den heutigen Abend fertig zu machen. Sehr einfallsreich!
Auf einmal kam Bewegung in die Masse, Blitzlichter begannen aufzuflackern und der Geräuschpegel um mich herum wurde ohrenbetäubend laut. Jutta Speidel und der Mann von der Melitta-Werbung schritten über den Roten Teppich, das heißt, sie versuchten zu schreiten, denn sie kamen immer nur wenige Meter weit. Immer wieder wurden sie von Fotografen und Kameraleuten gebeten anzuhalten und für sie zu posieren. Beide wirkten entspannt und gut gelaunt. Bei ihnen hätte ich keine Hemmungen, meine Fragen zu stellen. Doch schon waren sie an mir vorbei! Mist! Ich musste schneller reagieren. Jutta Speidel und dem Melitta-Mann folgten Uschi Glas und ihr Mann. Bei ihnen traute ich mich nicht. Dann kamen in rascher Folge mehrere Männer und Frauen, die ich nicht kannte, und Wolke Hegenbarth. Ihr würde ich meine erste Frage stellen. Ich gab ihnen ein Zeichen und Jens und Tobi brachten sich in Position.
„Wolke, Wolke, kannst du bitte zu mir kommen!“, imitierte ich den Pressejargon, den ich mir von meinen „Kollegen“ um mich herum abgeschaut hatte. Doch Wolke reagierte nicht.
„Wolke, Wolke, bitte hierher!“, versuchte ich es noch einmal und drängte mich auf unserer winzigen Stellfläche nach vorne. Und tatsächlich! Die Schauspielerin schaute in meine Richtung. Stolz reckte ich mein Mikrofon nach vorne und brachte mich in Position. Doch ich wurde rücksichtslos zur Seite gestoßen.
„Wolke, Mädchen, bitte dreh dich für mich doch ein bisschen nach rechts.“ Kameramann Karl war auf einmal überhaupt nicht mehr nett, sondern hatte sich grob nach vorne gedrängt und bombardierte die zierliche Schauspielerin mit verschiedenen Anweisungen.
Im Gegensatz zu mir war Fee in ihrem Element. Ruhig und souverän rief sie einen Star nach dem anderen zu sich herüber und stellte ihre Fragen. Aber so schnell wollte ich mich nicht geschlagen geben. Mein Ehrgeiz war geweckt und Kameramann Karl wusste ich nun auch einzuschätzen. Tom Gerhard erschien mit einer dunkelhaarigen Begleitung auf dem Roten Teppich. Er trug eine Pudelmütze und hielt eine Polizeikelle in der Hand, auch auf seinem Smoking prangte sie Aufschrift Polizei . In diesem Aufzug brauchte ich wahrlich keine Hemmungen zu haben, ihm meine Fragen zu stellen und bestimmt würde auch er nicht zu Fees Zielgruppe gehören.
„Herr Gerhard, Herr Gerhard, bitte hier rüber!“, schrie ich aus Leibeskräften und fuhr meine Ellbogen aus, um mich gegen die RTL-Batallion von rechts zu wappnen. Ich hatte Erfolg. Der Komödiant kam auf mich zu.
„Herr Gerhard, haben Sie vor, heute Abend zu tanzen?“ Ich hielt ihm das Mikrofon vor die Nase und lächelte, so strahlend ich konnte.
„Dat weiß isch noch nischt“, antwortete er in breitem Kölner Dialekt. „Dat hängt janz davon ab, wie die Getränke heute laufen.“
„Sie brauchen also ein wenig Starthilfe?“ Ich fühlte mich sehr eloquent.
Doch seine Antwort
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