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Ausweichmanöver (German Edition)

Ausweichmanöver (German Edition)

Titel: Ausweichmanöver (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Hartmann
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Mirsals klingeln? Dann wäre er nicht so weit weg, falls seine Mutter und Melli Hilfe brauchten.
    Nein, seine Mutter hatte gesagt, er soll zu Mikey gehen. Gehorsam verließ er das Haus und ging die Straße hinunter. Es nieselte. Etwa eine Viertelstunde brauchte er bis zu Mikeys Haus. Auf sein Klingeln öffnete niemand.
    Er setzte sich auf die Stufen vor dem Haus und wartete. Langsam wurde es dunkel. Er begann zu frieren.
    Wo sollte er nun hingehen?
    Wieder nach Hause?
    Was blieb ihm weiter übrig? Dicht an den Hauswänden entlang schlich er zurück nach Hause. Es duftete noch immer leicht nach Hühnchen, als er die Haustür aufschob. Die Plastiktüte mit seinen Sachen klebte an seinen Beinen fest, während er die Stufen hinaufging.
    Plötzlich hörte er ihn brüllen. Oben sprang die Tür auf, knallte gegen die Wand. Schwere Schritte auf dem Treppenabsatz.
    Sebastian drehte sich um, rannte, stolperte, sprintete die Treppe wieder hinunter. Er zerrte an der schweren Tür, quetschte sich durch den Spalt und raste nach draußen.
    An der Ecke stand ein Möbelwagen. Mühsam kletterte er hinein und versteckte sich zwischen einem Schrank und einer Spüle. Sein Herz hämmerte so laut, dass er glaubte, der Alte würde ihn hören, wenn er draußen an dem Lkw vorbeiging.
    Irgendwann musste er eingeschlafen sein. Jedenfalls wachte er wieder auf, als zwei Männer einen Schrank aus dem Laderaum wuchteten und Sonnenlicht in sein Versteck fiel. Er schreckte hoch. Seine Beine waren eingeschlafen. Vorsichtig kroch er an die Ladekante und schaute sich um. Die Gegend kannte er nicht.
    Die Männer kamen zurück. Er huschte wieder in sein Versteck. Nachdem sie, jeder mit einem Küchenoberschrank, abmarschiert waren, kletterte er aus dem Möbelwagen.
    Da er sich nicht sicher war, ob ihn jemand beobachtet hatte, rannte er die Straße hinunter, bog so schnell wie möglich erst rechts und dann gleich wieder links ab und stand völlig unverhofft vor einem Maisfeld.
    Neben ihm lag die Einfahrt zu einem Bauernhof. Davor stand ein Kasten, aus dem man sich Kartoffeln, Tomaten und sogar Honig nehmen konnte. Sebastian überlegte nicht lange.
    Er stopfte von allem etwas in seine Tüte. Aus dem Holzkasten, in den man eigentlich das Geld für die Waren legen sollte, angelte er sich einen Zehnmarkschein.
    Beinahe beschwingt marschierte er den Feldweg entlang, bis er die Scheune entdeckte. Seine Scheune, diese Scheune, in der er jetzt stand.
    Damals war er durch ein loses Brett in der Rückwand hineingekrochen. In dem alten Volvo, der halb versteckt unter Strohballen stand, richtete er sich ein Lager ein.
    Die Werkzeugtasche stand auf der Werkbank, das Leder war längst schimmelig und fleckig, die Werkzeuge rostig.
    Damals hatte er das Wort Zuflucht noch nicht gekannt.
    Sebastian lächelte. Keiner wusste, wo sich sein Zufluchtsort befand, seine Mutter nicht, Melanie nicht und Frau Gambach schon gar nicht. Hier hatte niemand etwas verloren.
    Niemand.
    Nachdem er noch einen Träger geschweißt hatte, bekam er Appetit auf einen Döner.
    Sorgfältig räumte er das Werkzeug weg, löschte das Licht und verschloss die Scheune, bevor er sich auf sein Moped setzte und losfuhr.
    Er überlegte kurz, ob er nach Alfeld oder Holzminden fahren sollte, entschied sich dann aber für Holzminden. Dort war heute Abend sicher mehr los.
    Er hatte da was von einer After-Show-Party in der Stadthalle aufgeschnappt. Beat Knights hörte sich gar nicht schlecht an. Hatte nicht Frontman Steve Young früher bei Status Quo gespielt? Er pfiff „In the army now“, als er vom Feldweg auf die Bundesstraße einbog.

7
    „Bitte die ersten drei Reihen für die Kinder freilassen!“ Während Lars und Valentin voller Elan durch die Holzbankreihen liefen und den heran strömenden Zuschauern Plätze anwiesen, stand Timo mit vor der Brust verschränkten Armen neben der Butze mit den Mischpulten.
    Nachdem auch die letzten Nachzügler saßen und vorn der erste Musiker aufgetaucht war, ging Lars zu ihm. „Was’n los?“
    „Julia kommt nicht.“
    „Krank?“
    Timo spuckte auf den Boden. „Von wegen. Mathe üben mit Philip. Er hat extra seinen Job getauscht.“
    Lars sah ihn prüfend an. „Du bist aber nicht eifersüchtig, oder?“
    „Quatsch. Dieser Heckmann geht mir sowas von auf die Eier.“
    „Julia ist wirklich nicht gut in Mathe. War sie noch nie.“
    „Von Heckmanns ätzendem Zynismus wird sie garantiert nicht besser.“ Timo schlug mit der linken Faust in die rechte Handfläche.

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