Auszeit
so zugetragen. Nun muss man nicht Abraham Lincoln sein und auch nicht ähnlich hochgesteckte Ziele haben – darum geht es ja gar nicht. Aber eine Botschaft könnte zumindest sein: Wenn man etwas wirklich will und sich nicht entmutigen lässt, sondern es beharrlich immer wieder von neuem versucht, so ist das die einzige Chance, sein Ziel zu erreichen. Es ist keine Garantie, denn die Geschichte hätte auch enden können: »… und er hat es noch einige Male versucht, vergeblich, und dann hat man nichts mehr von ihm gehört.« – Und natürlich wäre diese Geschichte dann auch nicht erzählt worden. Dennoch, die einzige Chance ist, nicht aufzugeben! Sonst kann es einem gehen wie dem einen Frosch im Milcheimer:
|15| Zwei Frösche, die sehr Hunger litten, weil die Fliegen im Herbst rar geworden waren, kamen in den Stall eines Bauernhofs . Sie entdeckten dort zu ihrer Freude einen Eimer mit frisch gemolkener Milch.
Da niemand in der Nähe war, sprangen sie mit einem hohen Satz in den Eimer mit der nahrhaften Flüssigkeit . Sie tranken nach Herzenslust, bis sie gesättigt waren.
Wie groß aber war ihr Schrecken, als sie bemerkten, dass es kein Entrinnen gab. Die glatte Wand des Eimers machte all ihre Bemühungen, wieder auf festen Boden zu kommen, zunichte.
Der eine Frosch war bald erschöpft. In seiner Todesnot rief er dem Kollegen zu: »Ich kann nicht mehr, es ist aus! Lebewohl.«
Der andere ermunterte ihn: »Schwimm, solange du kannst, nicht aufgeben!«
Doch vergebliche Liebesmüh: Der Frosch streckte mutlos alle Viere von sich und ertrank.
Der zweite Frosch dagegen ruderte und ruderte …
Als der Morgen graute, saß er auf einem Klümpchen Butter, das er selbst mit seinen Füßen geschaffen hatte, und rettete sich mit einem Riesensprung ins Freie.
Der Bauer fand im Eimer den Frosch, der aufgegeben hatte, tot vor.
Nach einer Fabel von Äsop.
Wenn es ums Überleben geht, ist Aufgeben tödlich. Und erfahrungsgemäß entfaltet unser Überlebenstrieb auch die letzten Kraftreserven und lässt uns fast übermenschliche Energien mobilisieren. Doch wie sieht es im Alltag aus, wenn es weder um Leben und Tod noch um unser großes Lebensziel geht? Wenn man die Fähigkeit entwickeln will, Misserfolge in |16| Sprungbretter für kommende Erfolge zu verwandeln, sind drei Schritte hilfreich:
Annehmen : Den Misserfolg schlicht und ergreifend als Tatsache akzeptieren – ohne sich selbst zu beschuldigen oder in sogenannter »Opferhaltung« anderen jammernd dafür die Schuld zu geben. Das bedeutet bestenfalls, sich zu sagen: Die Niederlage ist eine Chance, etwas zu lernen und innerlich zu reifen.
Anschauen : Die Ursachen ergründen, Fehler erkennen und damit aus der Niederlage lernen, um Misserfolgen der gleichen Art in Zukunft vorzubeugen.
Aufstehen : Weitergehen und dabei das Erfahrene mit berücksichtigen, um es das nächste Mal besser zu machen.
Fragen zum Nachdenken
Welche Misserfolge oder Niederlagen waren in meinem Leben wirklich wichtig, und was habe ich durch sie gelernt?
Wer oder was hilft mir am meisten, mit einem Misserfolg fertig zu werden?
Wie kann ich anderen Menschen helfen, wenn sie nach einer Niederlage »am Boden liegen«?
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|17| Alleinsein
In ihrem Buch Muscheln in meiner Hand schreibt Anne Morrow Lindbergh:
Jeder Mensch sollte einmal im Jahr, einmal in der Woche, einmal am Tag allein sein. – Was (aber) die Suche nach dem Alleinsein angeht, so leiden wir in einer abträglichen Atmosphäre , die so unsichtbar, so allgegenwärtig und so zermürbend ist wie die feuchte Hitze eines August-Nachmittages . Die Welt von heute versteht weder das Bedürfnis der Frau noch des Mannes, allein zu sein. – Wie unerklärlich uns das erscheint! Jede andere Entschuldigung wird eher angenommen. Die Zeit, die wir uns für eine geschäftliche Verabredung, für den Friseur, für eine Einladung oder für Einkäufe nehmen, wird respektiert. Sagt man aber: ich kann nicht kommen, denn das ist die Stunde, die ich ganz für mich allein reserviert habe, dann gilt man als ungezogen, egoistisch oder als Sonderling. Was wirft es für ein Licht auf unsere Zivilisation, wenn das Bedürfnis nach Einsamkeit verdächtig erscheint; wenn man sich dafür entschuldigen, wenn man es verbergen muss wie ein geheimes Laster!
Was dieses Alleinsein uns unter anderem geben kann, umschreibt die folgende Geschichte:
Zu einem Eremiten, der schon seit Jahren in einer Höhle |18| lebte, kamen eines Tages Pilger. Sie fragten ihn:
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