Ausziehen!
entscheiden, ob er mir diese Aussage wirklich für bare Münze verkaufen wollte.
Offensichtlich wollte er dies, da er keine Miene verzog.
»Ich will Ihnen keinen Ärger machen.« Ich hatte keinen blassen Schimmer, warum diese schwachsinnige Plattitüde es wert schien, nochmals wiederholt zu werden.
»Es ist sehr tröstlich, das zu wissen«, sagte er, hob die Hand und wies zur Tür hin. »Bitte begleiten Sie mich doch in mein Büro. Dort können wir uns unterhalten.«
Das Büro passte zu seinem Wesen. Es war hübsch dekoriert mit Indio-Skulpturen aus Lateinamerika und antiken Artefakten. Ein asymmetrisches, braunes, rostiges Gefäß stand auf seinem antiken Schreibtisch. Er bat mich, auf einem vornehmen Sessel Platz zu nehmen, der in erdigen Farben restauriert worden war, verschwand durch eine offen stehende Tür und kehrte mit zwei SoBe-Tees in bunten Flaschen wieder zurück. Die Eidechsen darauf hatte ich schon immer toll gefunden. »Bitte, nehmen Sie doch Platz«, bat er mich und reichte mir eine. Die Flasche fühlte sich angenehm kühl an in meiner Hand. Ich fragte mich, ob ich ebenso rot im Gesicht war, wie mir heiß war. »Was kann ich für Sie tun?«
Ich blinzelte. Ich konnte mich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern, wann das letzte Mal jemand diesen Satz zu mir gesagt hatte, und ich brauchte einen Augenblick, bis ich eine passende Antwort ausgegraben hatte - »Gott segne Sie, gütiger Herr« erschien mir doch ein wenig übertrieben.
»Ich bin - war …«, korrigierte ich mich, »Mr. Bomstads Therapeutin.«
»Ms. McMullen«, sagte er und setzte sich auf einen Stuhl neben mich.
Ich starrte ihn so verwirrt an, dass er auflachte.
»Ich bin eben gerne informiert.«
»Worüber?«
»Über alles, was mein Team betrifft.«
»Aber er gehörte doch schon einige Monate nicht mehr zum Team, oder?«
Er spreizte die Finger und lächelte liebevoll. »Er gehörte immer noch zur Familie.«
Ich konnte nichts dafür, aber plötzlich hatte ich wieder das Bild vor Augen, wie Bomstad mit offener Hose und einem Schwanz so groß wie eine prämierte Riesengurke auf meiner Couch saß. Was für Kinder zog dieser Mann hier auf?
»Prima, dann sind Sie genau der Mann, mit dem ich sprechen möchte.«
Er neigte gnädig den Kopf, als könne er es gar nicht abwarten, mir zu helfen. Und obwohl ich mit aller Macht versuchte, die Gangart zu wechseln, warf es mich doch fast aus der Bahn. Ich würde jetzt nicht gerade behaupten, dass ich es vermisste, mir die Köpfe mit anderen einzuschlagen, aber das war wenigstens ein Spiel, dessen Regeln ich kannte.
»Wussten Sie, dass sich Bomstad in Psychotherapie befand?«, fragte ich.
»Das wusste ich«, bestätigte er. »Zumindest so lange, wie er in der Mannschaft war. Wie jedem unserer Spieler hatte ich ihm sogar dazu geraten.«
Tatsächlich? »Darf ich fragen, warum?«
Er zuckte mit den Schultern, nur ein ganz leichtes Heben seiner wohl proportionierten Schultern. »Football ist ein sehr körperbezogener Sport, Ms. McMullen.« Als er meinen Namen sagte, klang er ein wenig wie dieser Typ aus der Serie Fantasy Island. Hatte ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich total von diesem Fantasy Island -Typen besessen war? »Sehr anspruchsvoll, anstrengend, fast brutal. Ohne dabei den Einfluss der Fans zu berücksichtigen.«
»Der Fans?« Ich denke, ich hatte schon verstanden, was er meinte, aber ich hörte ihm so gerne beim Reden zu.
Er lächelte mich an. Seine Schneidezähne standen ein wenig schief, und die Eckzähne waren spitz. Das verlieh ihm eine gewisse Ähnlichkeit mit Tom Cruise. Ein sonnengebräunter Tom Cruise mit Akzent. Heißa!
»Ich bin sicher, Sie kennen die Probleme, die die … Wie sagt man? … Berühmtheit so mit sich bringt.« Er winkte mit der Hand. »Ruhm, Vergötterung, Geld.«
Ich dachte an mein keksdosengroßes Häuschen und das defekte Kanalsystem. »Hört sich verdammt schlimm an.«
Er lachte. Er hatte ein sensationelles Lachen.
»Unsere Spieler sind nicht …« Er hielt inne und dachte nach. »Lassen Sie es mich so formulieren: Sie leben von der Stärke ihrer Arme, Ms. McMullen -« Er ballte eine Faust. »Und nicht von ihren mentalen Fähigkeiten.«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich Sie richtig verstehe, Mr. …« Ich schwieg, damit er mir seinen Namen nennen konnte.
»Ich bitte vielmals um Entschuldigung.« Er legte die Hand auf seine Brust und neigte den Kopf. »Wo sind bloß meine Manieren geblieben? Ich bin Miguel Rodriguez. Sie können
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