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AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating

Titel: AUTOMATENHELDEN: Ein Jahr Online-Dating Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gill Gartenstadt
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»Komm, Leon, wir wollen Mama und Flora mal schön schlafen lassen.« Sie gehen in die Küche und machen mit den frischen Brötchen vom Bäcker Frühstück.
    Jetzt wache ich auf. es ist schon nach elf Uhr. Floras Atemzüge waren meine. Dieser Traum war so real, die Geräusche waren so echt, ich kann es kaum glauben. Es war ein kurzer Blick in ein Leben, wie es auch hätte verlaufen können. Das macht mich sehr traurig. Wie benommen setze ich mich mit einem Kaffee an den Computer und lese Rafaels E-Mail:
     
    Er an mich
    21.04.2012, 12:58 Uhr
    AW: Grüße von Gill
     
    Liebe Gill,
    lustig, dass Du das sagst ... mir geht es mit »Two and a Half Men« ganz ähnlich ... ich schaue ja sonst fast nichts regelmäßig im TV, aber für die Zeit der Trauer war es wirklich eine gute Therapie.
    Du kennst es vielleicht auch ... erst entscheidet man sich für ein traditionelles Familienmodell, und dann ist auf einmal alles wieder ganz anders, und man sieht sich in einer Rolle, von der man nie dachte, dass sie einen ereilen würde. Die Vaterabwesenheit in allen Institutionen, die sich mit Kindern und Familie befassen, ist schon wirklich der Hammer ... und selbst wenn man versucht, dagegen anzukämpfen, es ist sehr schwer ... und plötzlich ist man mit Menschen (anderen Elternteilen) zusammen, mit denen man früher nie Kontakt gehabt hätte ... einfach nur, weil man funktionieren muss. Daher kenne ich das Bild sehr gut, das Du beschreibst, mit den Rentnern im Obi-Café oder den ganzen Kinderbespaßungsgruppen ... meine Tochter Laura liegt mit fast 3 genau zwischen den Deinen ... bei mir ist es nur so, dass ich nachdem ich dachte, ich würde was gemeinsam aufbauen, jetzt genau in der umgekehrten Situation bin ... Ich reise sehr viel und lebe oft in Hotels, weil meine Tochter in Hamburg lebt, ich eigentlich in Darmstadt am Fraunhofer IPSI beschäftigt bin und ich mal in Bonn und mal in Boston bin. Es klingt wie eine Flucht und ist es vielleicht auch ... aber keine aktiv gewollte, sondern mehr als vielleicht dann doch sehr männliche Überreaktion darauf, einfach vor die Situation gesetzt worden zu sein. So habe ich wahrscheinlich einfach nur das Rollenmuster geswitcht ... aber das kennst Du wahrscheinlich von Dir selbst auch: Man hat immer so viel Wert auf seine Individualität gelegt und plötzlich ... genau wie Du sagst, man definiert sich einfach nicht mehr so sehr über die eigene Arbeit und lebt ein ganz anderes Leben ... oder denkt es zumindest für den Moment, wo die Differenzerfahrung so stark ist. ... aber im Nachhinein wird sich sicher alles zu einem Kontinuum formen;-)
    Mhm, ja, es kann gut sein, dass wir uns vor 11 Jahren mal über den Flur gelaufen sind ... so bis 2001 war ich auch noch regelmäßig im Haus am Kleistpark. Da musst Du mir entwischt sein ... aber jetzt, wo ich Dich an der Angel habe, lasse ich Dich nicht mehr los;-)
    Lass uns doch mal treffen, wenn Du magst. Würde mich echt freuen! Bin nur gerade am Fraunhofer etwas mit Projekten gefesselt ... da hast Du schon ganz ins Schwarze getroffen: Ich beschäftige mich in der Tat mit der digitalen Erweiterbarkeit von Flächen, allerdings nicht von Pappkartons, sondern von Schreibtischen und Infotafeln.
    Sei umarmt, Rafael
    P.S. Kommst Du denn ursprünglich aus Südafrika bzw. Deine Familie?
     
    Seine E-Mail berührt mich. Er schüttet mir, einer Fremden sein Herz aus. Ich frage mich, wie viel Mensch, wie viele Probleme ich noch ertragen kann. Wieso flieht jemand vor seiner Verantwortung als Vater? Aber wer weiß, vielleicht verbringt er dafür – zwischen all den Projekten und Reisen – mehr Zeit mit ihr am Stück? In seinem Profilsatz schreibt er, dass er seinen Platz im Leben gefunden hätte, und da kommen mir ein paar Zweifel. Ich brauche noch ein bisschen Abstand. Ich kann mit ihm noch nicht telefonieren. Wenn ich es ihm anbiete, werde ich vielleicht sofort wieder krank, wie neulich bei Andor. Die Sonne scheint in meinen Garten, und die 50 roten Tulpen leuchten. Ich gehe raus und mache für Rafael ein Foto. Seine E-Mail beantworte ich dann am Abend:
     
    Ich an ihn
    22.04.2012, 22:36 Uhr
    Tulpen für Rafael
    1 Anhang, 654 KB
     
    Lieber Rafael,
    das ist aber eine ungewöhnlich lange Angelschnur, die Du da ausgeworfen hast, wenn ich das mal so anmerken darf:)
    Dass ein Forscherleben so aussieht, habe ich mir fast schon gedacht, ohne internationale Workshops, Gastprofessuren etc., kein Wissenstransfer und somit auch kein Fortkommen auf angestrebter Ebene, die

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