Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
»Was glaubt Ihr, wer wird der nächste Großkönig sein?«
»Wieso sollte eine Frau sich darum kümmern wollen, wer das Land regiert?«
Igraine lächelte ihn von der Seite an. Sie hatte das Haar für die Nacht gelöst und konnte spüren, wie ihr Lächeln ihn erfreute. »Auch wenn ich eine Frau bin, Gorlois, muß ich in diesem Lande leben. Und ich wüßte gerne etwas über den Mann, dem mein Gemahl in Krieg und Frieden treu ergeben sein muß.«
»Frieden! Es wird keinen Frieden geben, zumindest werde ich ihn nicht mehr erleben«, sagte Gorlois, »nicht, solange all diese wilden Völker an unseren reichen Küsten landen. Wir müssen uns vereinen, um uns mit allen Kräften zu verteidigen. Es gibt viele, die gerne den Mantel des Ambrosius tragen und uns in den Krieg fuhren würden. Etwa Lot von Orkney, ein grausamer aber zuverlässiger Mann, ein starker Führer und ein guter Stratege im Kampf. Allerdings ist er noch unverheiratet und ohne Nachkommen. Für einen Großkönig wäre er jung. Aber er ist ehrgeizig. Ich kenne keinen Mann in seinem Alter, der so ehrgeizig ist. Und Uriens von Nordwales: Er hat bereits Söhne und keine Sorgen um seine Nachkommenschaft. Aber ihm fehlt jeder Weitblick. Er möchte am liebsten alles so tun, wie es schon immer getan wurde. Er sagt, wenn es einmal gutgegangen ist, wird es auch das zweite Mal gutgehen. Und ich habe den Verdacht, er ist kein guter Christ.«
»Wer wäre der Mann Eurer Wahl?« wollte Igraine wissen. Gorlois seufzte. »Keiner von beiden«, antwortete er. »Ich habe Ambrosius mein Leben lang die Treue gehalten, und ich werde dem Manne treu sein, den Ambrosius erwählt hat. Es ist eine Frage der Ehre. Uther ist sein Mann. So einfach ist das. Ich mag Uther nicht. Er ist ein Lüstling und hat ein Dutzend Bastarde. In seiner Umgebung ist keine Frau sicher. Er besucht die Messe, weil das Heer die Messe besucht und weil es sich so gehört. Es wäre mir lieber, er wäre ein aufrichtiger Heide als ein Christ, der nur an die Vorteile denkt, die ihm das bringt.«
»Und doch unterstützt Ihr ihn…«
»O ja, er ist Soldat genug, um ein Cäsar zu sein. Die Männer würden ihm in die Hölle folgen. Er tut alles, um beim Heer beliebt zu sein… du weißt schon, er geht durchs Lager und probiert die Rationen. Er vergewissert sich, daß seine Leute etwas Richtiges zu essen haben… An einem Tag, an dem er sich vergnügen könnte, sucht er den Quartiermeister auf, um sich für einen alten zahnlosen Veteranen einzusetzen, und vor einem Kampf schläft er wie die Soldaten im Feld. Die Männer würden für ihn in den Tod gehen… und sie tun es. Uther hat Verstand und Weitblick. Ihm gelang es, Frieden mit den Vasallen zu schließen, und im letzten Herbst kämpften sie an seiner Seite gegen die Sachsen… Er denkt mir selbst ein bißchen zu sehr wie ein Sachse. Er weiß, was in ihren Köpfen vorgeht. Gewiß, ich unterstütze ihn, aber das bedeutet nicht, daß ich ihn mag.«
Igraine hörte aufmerksam zu und dachte:
Gorlois hat mehr über sich gesagt als über die Anwärter auf den Thron.
Schließlich fragte sie: »Habt Ihr nie daran gedacht… Ihr seid der Herzog von Cornwall, und Ambrosius schätzt Euch… daß Ihr zum Großkönig gewählt werden könntet?«
»Glaubt mir, Igraine, ich suche keine Krone. Habt Ihr den Wunsch, Königin zu werden?« »Ich würde mich nicht weigern«, antwortete sie und erinnerte sich an des Merlins Prophezeiung.
»Das sagt Ihr, weil Ihr zu jung seid, um zu wissen, was es bedeutet«, entgegnete Gorlois lächelnd. »Würdet Ihr wirklich gern über ein Königreich herrschen, wie über Eure Dienstboten in Tintagel und allen jederzeit zur Verfügung stehen? Es gab eine Zeit, als ich noch jünger war… aber ich möchte den Rest meines Lebens nicht auf dem Schlachtfeld verbringen. Vor Jahren schon gab mir Ambrosius Tintagel als Lehen, und bis vor vier Jahren blieb mir nicht die Zeit, eine Gemahlin heimzuführen! Ich werde diese Küsten verteidigen, solange ich ein Schwert halten kann. Aber ich möchte einen Sohn, der mit meiner Tochter spielt, und eine Weile in Frieden leben. Ich möchte auf den Klippen sitzen und angeln. Ich möchte auf die Jagd gehen oder einfach in der Sonne sitzen und zusehen, wie die Bauern die Ernte einbringen. Vielleicht finde ich auch die Zeit, meinen Frieden mit Gott zu machen, damit er mir alles vergeben kann, was ich in meinem Leben als Soldat tun mußte. Aber der Großkönig findet keinen Frieden, selbst wenn im Land Frieden
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