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Avalon 08 - Die Nebel von Avalon

Titel: Avalon 08 - Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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jemand wie sie meiner Familie Schande bereitet oder einen schlechten Einfluß auf meine Tochter ausübt.«
    Igraine antwortete ihm freundlich. Sie konnte nicht vergessen, daß sie seinen Tod gesehen hatte, und sie wollte mit einem Todgeweihten nicht zanken. Morgauses Betragen hatte auch sie verärgert.
Gorlois wird also sterben. Man muß wirklich keine Hellseherin sein, um den Tod eines fünfundvierzigjährigen Mannes vorauszusehen, der den größten Teil seines Lebens gegen die Sachsen gekämpft hat, und zu wissen, daß er nicht mehr erleben wird, wie seine Kinder aufwachsen. Deshalb werde ich noch lange nicht all den Unsinn glauben, den Viviane mir verkündet hat und auch nicht erwarten, daß Gorlois mich nach Londinium mitnimmt!
    Als sie am nächsten Tag nach dem Mahl noch am Tische saßen und Igraine einen großen Riß in Gorlois' bester Tunika ausbesserte, sagte er jedoch ohne Umschweife: »Hast du dich noch nicht gefragt, was mich so plötzlich zurückkommen ließ, Igraine?«
    Nach der vergangenen Nacht brachte sie den Mut auf, Gorlois offen anzulächeln. »Sollte ich an dem Glück zweifeln, das meinen Gemahl nach einem Jahr Fernsein nach Hause zurückgebracht hat? Ich hoffe, es bedeutet, daß die Sachsen von den Küsten vertrieben sind und dort wieder Briten herrschen.«
    Er nickte abwesend. Dann verschwand das Lächeln auf seinem Gesicht.
    »Ambrosius Aurelianus liegt im Sterben. Der alte Adler wird bald nicht mehr die Schwingen erheben, und sein Nest ist leer. Es ist wie damals, als die Legionen abzogen. Schon bei meiner Geburt ist er Großkönig gewesen. Und er war ein guter König für alle, die – wie ich – immer noch hofften, Rom würde eines Tages zurückkehren. Jetzt weiß ich, dieser Tag wird niemals kommen. Die Könige Britanniens reisen aus fern und nah nach Londinium, um ihren Großkönig und Feldherrn zu wählen. Auch ich muß dort erscheinen. Es war eine lange Reise für einen so kurzen Aufenthalt, denn in drei Tagen muß ich mich wieder auf den Weg machen. Ich wollte jedoch nicht hier vorbeireiten, ohne dich und das Kind gesehen zu haben. Es wird eine große Ratsversammlung sein, Igraine. Viele Herzöge und Könige werden mit ihren Gemahlinnen kommen. Willst du mich begleiten?«
    »Nach Londinium?«
    »Ja, wenn du so weit reisen möchtest«, antwortete er, »und wenn du es über dich bringst, das Kind zurückzulassen. Ich weiß nicht, was dagegen stünde. Morgaine ist gesund und munter. Hier gibt es genug Frauen, die sich um ein ganzes Dutzend kleiner Kinder kümmern könnten. Und wenn es mir gelungen sein sollte, mit dir wieder ein Kind zu zeugen…«, er begegnete ihrem Blick mit einem Lächeln, das sie sich auf seinem Gesicht kaum hatte vorstellen können, ».. .wird es dich beim Reiten noch nicht behindern.« In Gorlois' Stimme lag eine Zärtlichkeit, die sie nie für möglich gehalten hätte, als er hinzufügte: »Ich würde mich freuen, von dir nicht wieder so lange getrennt zu sein. Werdet Ihr mich begleiten, meine Gemahlin?«
    Irgendwie mußt du erreichen, daß du ihn nach Londinium begleitest. Viviane hatte es gesagt, und gerade eben hatte Gorlois auch nur die Frage danach überflüssig gemacht. Igraine überfiel plötzlich ein Gefühl heller Verzweiflung – als sei sie ein scheu gewordenes Pferd. Sie griff nach einem Becher Bier und trank mit kleinen Schlucken, um ihre Verwirrung zu verbergen. »Natürlich werde ich mit Euch kommen, wenn Ihr es wünscht.«
    Zwei Tage später waren sie unterwegs nach Osten. Auf sie warteten Londinium, das Heerlager des Uther Pendragon, der sterbende Ambrosius und die Wahl eines Großkönigs… Am Nachmittag erreichten sie die Römische Straße. Jetzt kamen sie schneller voran, und am frühen Abend sahen sie die ersten Häuser von Londinium. Sie rochen den Gezeitenfluß, der die Ufer bespülte.
    Igraine hatte sich nie vorgestellt, daß so viele Häuser an einem Ort zusammenstehen könnten. Nach den kühlen Weiten der Heide und südlichen Moore hatte sie einen Augenblick lang das Gefühl, nicht atmen zu können. Die Gebäude bedrängten sie. Igraine ritt wie im Schlaf und spürte, daß die steinernen Straßen und Mauern sie von Licht und Luft, vom Leben selbst abschnitten… Wie konnten Menschen hinter solchen Mauern leben?
    »Wir werden heute im Haus eines meiner Lehnsmänner schlafen«, sagte Gorlois, »und morgen werden wir bei Hof erscheinen.« Als sie spätabends vor dem Feuer saßen
(Welcher Luxus,
dachte sie,
ein Feuer im Sommer!),
fragte sie:

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