Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
sehr sparsam gewesen. Aber Igraine konnte unschwer erkennen, daß er mit seinen Gedanken weit weg war, obwohl er die Bänder für Morgaines Kleid bewunderte und sie lobte, sie habe
gut daran getan, die Silberschnallen zu kaufen. »Du solltest auch einen silbernen Kamm haben und vielleicht einen neuen Spiegel. Dein alter Bronzespiegel ist doch zerkratzt. Gib ihn Morgause. Sie ist jetzt fast erwachsen. Du kannst dir morgen einen neuen Spiegel kaufen, wenn du möchtest.«
»Wird der Rat noch einmal zusammentreten?«
»Ich fürchte ja, und vermutlich noch einmal und noch einmal, bis wir Lot dazu überreden können, sich dem Willen des Ambrosius zu beugen und Uther als Großkönig anzuerkennen«, brummte Gorlois, »sie sind alle störrische Esel! Hätte Ambrosius doch nur einen Sohn hinterlassen, dann könnten wir ihm alle den Treueschwur leisten und einen Feldherren wählen, der seinen Mut in der Schlacht unter Beweis gestellt hat! Das wäre ohne Zweifel Uther… selbst Lot weiß das! Aber Lot hat den Ehrgeiz, Großkönig zu werden. Für ihn ist nur wichtig, eine Krone zu tragen und unseren Eid entgegenzunehmen. Im Norden gibt es Männer, die lieber einen eigenen König hätten, und deshalb unterstützen sie Lot… ich glaube sogar, wenn Uther schließlich doch gewählt wird, kehren alle Könige aus dem Norden in ihre Heimat zurück und sagen Uther die Gefolgschaft auf, Uriens vielleicht ausgenommen. Ich werde Lot nicht unterstützen, nur damit die Könige aus dem Norden nicht abfallen. Ich traue ihm nicht über den Weg!« Gorlois zuckte die Schultern. »Das sind langweilige Geschichten für die Ohren einer Frau, Igraine. Bringe mir Brot und kaltes Fleisch. Ich habe letzte Nacht nicht geschlafen und bin so müde wie nach einem Tag auf dem Schlachtfeld. Auch mit Worten streiten ist schwere Arbeit.«
Igraine wollte sagen, daß sie gerne mehr zu hören wünsche. Aber dann ließ sie es achselzuckend sein. Sie würde sich nicht herablassen und ihm Neuigkeiten entlocken, als sei sie ein Kind, das vor dem Einschlafen um eine Geschichte bettelt. Wenn sie dem Klatsch auf dem Marktplatz entnehmen mußte, was bei Hofe geschah, dann ließ es sich eben nicht ändern. Gorlois war müde und würde heute nacht nichts als schlafen wollen.
Igraine lag noch spät in der Nacht wach neben ihm und dachte an Uther. Welches Gefühl mußte es für den Feldherrn sein zu wissen, daß Ambrosius ihn zum Großkönig ausersehen hatte, um dann zu erkennen, daß er seine Wahl vielleicht mit dem Schwert durchsetzen mußte! Unruhig warf sie sich im Bett hin und her und überlegte, ob der Merlin wirklich einen Zauber über sie geworfen hatte, damit sie nicht aufhören konnte, an Uther zu denken. Schließlich schlief Igraine ein und fand sich im Traum wieder in dem Obstgarten, wo sie mit ihm gesprochen und seine Tränen mit ihrem Schleier getrocknet hatte. Doch diesmal packte Uther das Ende ihres Schleiers und zog sie damit an sich. Er preßte seinen Mund auf den ihren, und in diesem Kuß lag eine Süße, die sie in all den Jahren mit Gorlois nie empfunden hatte. Sie überließ sich seinen Lippen und spürte, wie sie unter ihnen dahinschmolz. Sie blickte ihm in die blauen Augen und dachte:
Ich war immer noch ein Kind. Bis zu diesem Augenblick habe ich wirklich nicht gewußt, was es heißt, eine Frau zu sein.
Sie flüsterte: »Ich habe nie gewußt, was es heißt zu lieben.« Da zog er sie eng an sich, legte sich auf sie, und Igraine spürte, wie Süße und Wärme ihren Körper durchdrangen. Sie hob sich ihm entgegen und erwachte. Verwirrt stellte Igraine fest, daß Gorlois sie im Schlaf in die Arme gezogen hatte. Das köstliche Gefühl des Traumes erfüllte noch ihren Körper, und sie umarmte den Gatten im Halbschlaf gefügig.
Aber sie wurde schnell ungeduldig und konnte kaum erwarten, daß Gorlois von ihr abließ und wieder in seinen schweren geräuschvollen Schlaf zurückfiel. Bebend und zitternd lag sie bis zum Morgengrauen wach und fragte sich, was mit ihr geschehen war. Die Sitzungen des Großen Rates dauerten die ganze Woche, und Gorlois kam jeden Abend zornig und erschöpft zurück. Einmal brach es aus ihm heraus: »Wir sitzen herum und reden, während die Sachsen an den Küsten sich vielleicht schon zum Krieg gegen uns rüsten! Begreifen diese Dummköpfe nicht, daß unsere Sicherheit von den Bündnistruppen abhängt? Sie sind es, die die sächsischen Küsten verteidigen müssen, und sie werden nur Uther folgen oder einem Mann aus ihren eigenen
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