Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
sagte, sie solle sich auf dem Markt etwas kaufen. Der Mann, so fügte er hinzu, würde ebenfalls Geld bei sich haben, falls sie Gewürze und andere Dinge für den Haushalt in Cornwall besorgen wollte. »Denn warum solltet Ihr von einer so langen Reise nicht etwas zurückbringen, das Ihr braucht? Ich bin kein armer Mann. Ihr könnt kaufen, was Ihr für ein ordentliches Haus benötigt, ohne mich vorher zu fragen. Vergeßt nicht, ich vertraue Euch, Igraine«, sagte er, nahm ihr Gesicht in beide Hände und küßte sie. Obwohl er kein Wort darüber verlor, wußte sie, daß er sich auf seine barsche Weise entschuldigte. Sie sollte die Verdächtigungen und den Schlag ins Gesicht vergessen. Das rührte Igraine, und sie erwiderte seinen Kuß mit echter Zärtlichkeit.
Der große Markt von Londinium war herrlich aufregend, trotz Schmutz und Gestank. Ihr kam es vor, als fänden vier oder fünf Jahrmärkte gleichzeitig statt. Gorlois' Banner, das einer seiner Gefolgsleute vor ihr her trug, schützte Igraine weitgehend vor dem Gedränge und Geschiebe der Menschen. Trotzdem ängstigte sie dieser riesige Marktplatz ein bißchen. Hier priesen etwa hundert Händler lautstark ihre Waren an. Alles, was sie sah, erschien ihr neu, schön und wünschenswert. Aber sie beschloß, zuerst über den ganzen Markt zu gehen, ehe sie etwas kaufte. Schließlich erstand sie Gewürze, eine Länge feines Wolltuch von den Inseln – eine weichere Wolle als die der Schafe in Cornwall. Gorlois brauchte in diesem Jahr einen neuen Mantel. Sobald sie wieder in Tintagel war, wollte sie die Bordüre dazu weben. Für sich kaufte sie kleine Knäuel farbiger Seide. Es würde Spaß machen, mit solch leuchtenden Farben zu weben und nach der groben Wolle und dem Flachs eine Erholung für die Finger sein. Sie würde auch Morgause lehren, Seide zu weben. Und im nächsten Jahr war es höchste Zeit, Morgaine das Spinnen beizubringen. Wenn sie tatsächlich ein zweites Kind von Gorlois bekommen sollte, würde sie im nächsten Jahr schwerfällig und unförmig sein. Dann hätte sie Zeit, ihrer Tochter das Spinnen zu zeigen. Mit vier Jahren war sie alt genug, mit einer Spindel umzugehen und den Faden zu zwirnen – auch wenn man damit nur das Garn vor dem Färben zusammenbinden konnte.
Igraine entschied sich auch für ein paar bunte Bänder. Sie würden hübsch an Morgaines Festtagskleid aussehen. Man konnte sie immer wieder abtrennen, wenn das Kind größer geworden war, und sie an die Ärmel und den Halsausschnitt des neuen Kleidchens nähen. Morgaine war jetzt alt genug, um ihre Sachen nicht mehr zu beschmutzen. Sie sollte standesgemäß gekleidet sein, wie es sich für die Tochter des Herzogs von Cornwall gehörte.
Auf dem Markt herrschte geschäftiges Treiben. Von ferne sah sie die Gemahlin König Uriens' und andere gutgekleidete Damen. Sie fragte sich, ob die Männer alle ihre Ehefrauen heute morgen auf den Markt zum Einkaufen geschickt hatten, während in der Ratsversammlung die Wogen der Meinungen hochschlugen. Igraine erstand Silberschnallen für ihre Schuhe, obwohl sie sicher war, sie hätte in Cornwall ebenso schöne finden können. Sie kaufte sie nur, weil ihr die Vorstellung gefiel, Schnallen auf den Schuhen zu tragen, die aus dem fernen Londinium stammten. Aber als der Mann versuchte, ihr eine Brosche aus Silberfiligran mit einem Bernstein in der Mitte zu verkaufen, lehnte sie bei der Vorstellung, soviel Geld auszugeben, erschrocken ab.
Sie war sehr durstig. Der Apfelwein und die heißen Kuchen, die an verschiedenen Ständen angeboten wurden, reizten sie. Aber sie fand es unanständig, sich auf den offenen Markt zu setzen und zu essen wie ein Hund oder ein Bauer. Sie befahl dem Mann, sie zum Haus zurückzubringen. Dort wollte sie Brot und Käse essen und Bier trinken. Der Mann wirkte verdrießlich, und so schenkte sie ihm eine der kleinen Münzen, die sie als Wechselgeld zurückbekommen hatte und forderte ihn auf, sich dafür einen Krug Apfelwein oder Bier zu kaufen.
Zurückgekehrt saß Igraine müde und lustlos in der Kammer und musterte ihre Einkäufe. Gerne hätte sie sofort mit der Bordüre begonnen. Doch damit mußte sie warten, bis sie wieder an ihrem kleinen Webstuhl zu Hause saß. Zwar hatte sie das Spinnzeug bei sich, aber es erschien ihr zu langweilig, und so betrachtete sie nur all die schönen Dinge. Schließlich kehrte Gorlois zurück. Er sah müde aus.
Der Herzog versuchte, Interesse für ihre Einkäufe aufzubringen und stellte fest, sie sei
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