Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Herzog von Cornwall! Und wir bleiben ohne Schutz zurück!«
»Alle Soldaten verlassen die Stadt! Was sollen wir tun, wenn die Sachsen landen?«
»Feiglinge!« rief ihnen jemand nach, während die Fähre ächzend und stöhnend ablegte. »Feiglinge! Sie laufen davon, und das Land steht in Flammen!«
Ein Stein zischte durch die Dunkelheit und traf die lederne Brustplatte eines der Männer, der lauthals fluchte. Gorlois wies ihn scharf zurecht, und der Soldat verstummte. Vom Ufer erreichten sie noch manche Verwünschung und etliche Steine, aber bald war das Floß weit genug entfernt. Nachdem Igraines Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte sie Gorlois erkennen, dessen Gesicht blaß und unbewegt war wie das einer Statue. Er sprach die ganze Nacht lang nicht mit ihr. Sie ritten bis zum Morgengrauen, und selbst als die Dämmerung den Nebel hinter ihnen rosa färbte, machten sie nur eine kurze Rast, damit Mensch und Pferd sich ausruhen konnten. Gorlois breitete einen Mantel auf den Boden, damit Igraine sich niederlegen konnte; er brachte ihr hartes Brot, Käse und einen Becher Wein – die Ration der Soldaten. Aber er schwieg immer noch. Sie war müde, verstört und wund vom Reiten. Sie wußte, Gorlois hatte sich mit Uther zerstritten und seine Männer abgezogen, mehr aber nicht. Hatte Uther ihn so ohne weiteres gehen lassen? Nun, Lot hatte er nicht daran gehindert.
Schon bald brachte Gorlois die Pferde wieder und wollte Igraine in den Sattel helfen. Aber sie weigerte sich. »Ich werde nicht weiterreiten, wenn Ihr mir nicht sagt, warum und wohin.« Sie sprach leise, da sie Gorlois vor seinen Männern nicht beschämen wollte, doch sie sah ihm furchtlos in die Augen. »Warum stehlen wir uns in der Nacht wie Diebe aus Londinium? Sagt mir, was geschehen ist, ich bitte Euch, oder Ihr müßt mich auf den Rücken meines Pferdes binden, und ich werde den ganzen Weg nach Cornwall aus Leibeskräften schreien.«
»Glaubt Ihr, ich handle aus freien Stücken?« erwiderte Gorlois. »Verärgert mich nicht, denn Euretwegen habe ich meine Ehre verloren, Eide gebrochen, die ich bis heute gehalten habe, und das Andenken meines verstorbenen Königs mißachtet.«
»Wie könnt Ihr wagen, mir dafür die Schuld zu geben!« schleuderte ihm Igraine entgegen. »Ihr habt es nicht meinetwegen getan, sondern um Eurer Eifersucht willen! Ich bin unschuldig, selbst wenn Eure schmutzigen Gedanken mir alle möglichen Sünden unterstellen…«
»Schweigt, Weib! Auch Uther hat geschworen, daß Ihr unschuldig seid. Ihr seid eine Frau, und ich glaube, Ihr habt einen Zauber über ihn geworfen… Ich ging zu Uther und hoffte, unseren Streit beizulegen. Wißt Ihr, was dieser schändliche Lüstling mir entgegnete? Er forderte, ich solle mich scheiden lassen und Euch ihm geben.«
Igraine starrte ihn mit weitaufgerissenen Augen an. »Wenn Ihr so schlecht von mir denkt und mich für eine Ehebrecherin, für eine Hexe haltet, warum habt Ihr dann nicht freudig die Gelegenheit ergriffen, mich loszuwerden?«
Neuer Zorn stieg in ihr auf. Selbst Uther hielt sie für eine Frau, die man einfach weitergeben konnte. Er hatte sich an Gorlois gewendet und versucht, ihn zu überreden, ihm die ungewollte Ehefrau zu überlassen; nicht anders hatte Gorlois die Herrin von Avalon um ihre Hand gebeten. War sie nichts weiter als ein Pferd, das auf dem Frühjahrsmarkt gehandelt wurde? Aber insgeheim bebte sie auch vor Freude – Uther wollte sie! Er wollte sie so sehr, daß er sich mit Gorlois überwarf und wegen dieses Streits um eine Frau seine Verbündeten vor den Kopf stieß. Trotzdem zürnte sie ihm. Warum hatte sich Uther nicht an sie gewendet? Warum hatte er sie nicht aufgefordert, Gorlois zu verlassen und aus freien Stücken zu ihm zu kommen? Gorlois nahm ihre Frage ernst und antwortete: »Ihr habt geschworen, keine Ehebrecherin zu sein, und ein Christ darf seine Frau nur aus diesem einen Grund verstoßen.«
Igraine schwankte zwischen Ungeduld und plötzlicher Reue. Sie schwieg. Dankbar konnte sie ihm nicht sein, aber wenigstens hatte Gorlois ihr zugehört. Und doch wurde ihr klar, daß es ihm dabei in erster Linie um seinen Stolz ging; selbst wenn er nicht an ihre Unschuld glaubte, wollte er vor seinen Soldaten nicht eingestehen, daß seine junge Frau einen anderen Mann ihm vorzog. Vielleicht würde er sich eher mit einem Ehebruch abfinden, als in den Soldaten den Glauben aufkommen zu lassen, er könne eine junge Frau nicht an sich fesseln.
Sie sagte:
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