Avalon 08 - Die Nebel von Avalon
Menge. Morgaine dachte:
Es wird merkwürdig sein, den Hof von außen zu sehen, nachdem ich so lange Zeit selbst dazugehörte.
Cai öffnete die großen Tore am anderen Ende der Halle. Morgaine erschrak – Cai würde sie in jeder Verkleidung erkennen. Aber vielleicht blickte er nicht in ihre Richtung.
Wieviele Jahre hatte sie sich in der Ruhe von Avalon dahintreiben lassen? Morgaine wußte es nicht. Artus wirkte eher noch größer und majestätischer. Seine sorgfältig gekämmten Locken schienen so blond zu sein wie früher, und aus der Entfernung konnte sie nicht erkennen, ob er bereits die ersten weißen Strähnen hatte. Auch Gwenhwyfar in ihrem prächtigen Gewand hielt sich aufrecht und war schlank wie immer – ihre Brüste wirkten allerdings schlaff.
»Seht doch nur, wie jung die Königin aussieht«, murmelte eine Frau in ihrer Nähe. »Artus hat sie geheiratet, als ich meinen ersten Sohn bekam… und wie sehe ich heute aus!« Morgaine sah eine gebeugte, zahnlose alte Frau vor sich. »Wie ich höre, hat diese Zauberin, die Schwester des Königs… man nennt sie Morgaine, die Fee… beiden ein Zaubermittel gegeben, damit sie jung bleiben…«
»Mit oder ohne Zauber«, murmelte eine andere zahnlose Alte bissig, »wenn Königin Gwenhwyfar jeden Morgen und jeden Abend den Stall ausmisten und jedes Jahr ein Kind zur Welt bringen müßte, das in guten und in schlechten Zeiten an ihrer Brust liegt, wäre bald auch von ihrer Schönheit nichts mehr übrig. Die Dinge sind eben, wie sie sind. Aber ich wünsche, daß mir ein Priester einmal erklärt, warum sie im Leben alles Gute bekommt, und ich nur Elend kenne.«
»Hör auf zu schimpfen«, erwiderte die erste, »du wirst heute abend einen vollen Bauch haben. Außerdem wirst du all die feinen Herren und Damen sehen, und du weißt, wie die alten Druiden uns erklärten, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Königin Gwenhwyfar dort oben hat Gewänder und Edelsteine und ist Königin, weil sie im letzten Leben Gutes getan hat. Solche wie du und ich, wir sind arm und häßlich, weil wir dumm waren. Aber wenn wir darauf achten, was wir in diesem Leben tun, dann gibt es eines Tages auch für uns eine bessere Zukunft.«
»O ja«, schimpfte die andere, »Priester und Druiden sind alle gleich. Die Druiden sagen das, und die Priester behaupten, daß wir in den Himmel kommen, wenn wir in diesem Leben unsere Pflicht erfüllen. Dann sind wir bei Jesus, sitzen an seiner Tafel und müssen nie mehr in diese schlechte Welt zurück! Aber was sie auch sagen, es läuft immer auf dasselbe hinaus… Die einen werden im Elend geboren und sterben im Elend, und die anderen tun, was ihnen gefällt.«
»Aber wie ich höre, ist sie nicht so glücklich«, ließ sich eine andere alte Frau vernehmen. »Sie ist zwar eine Königin. Aber sie hat kein einziges Kind geboren. Ich habe einen ordentlichen Sohn, der den Bauernhof für mich führt. Eine Tochter hat unseren Nachbarn geheiratet, und die andere ist Dienerin bei den Nonnen in Glastonbury. Königin Gwenhwyfar mußte den Ritter Galahad als Sohn annehmen. Er ist der Sohn von Lancelot und ihrer Base Elaine, und er soll König Artus auf den Thron folgen.«
»Oh, das erzählen sie
uns«,
erklärte eine vierte, »aber du weißt es, und ich weiß es, Königin Gwenhwyfar war im sechsten oder siebten Jahr von Artus' Herrschaft eine Zeitlang nicht am Hof… glaubst du, wir können nicht alle auf neun zählen? Die Frau meines Stiefbruders hat hier in der Küche gearbeitet. Sie hat erzählt, alle hätten darüber geredet, daß die Königin die Nächte bei einem anderen verbracht hat und nicht bei ihrem Gemahl…«
»Sei still, du altes Klatschmaul«, sagte die erste. »Wenn dich einer der Kammerherren hört, wirft man dich zur Strafe in den Teich! Ich meine, Galahad ist ein guter Ritter, und er wird einmal ein guter König werden. Lang lebe König Artus! Wer fragt schon danach, wer seine Mutter ist? Ich glaube, er entstammt einem von des Königs Seitensprüngen… er ist blond wie unser Herr und Gebieter. Und seht doch dort Ritter Mordred… Jeder weiß, er ist ein Bastard des Königs, und seine Mutter ist irgendeine Hure.«
»Ich habe noch Schlimmeres gehört«, mischte sich eine andere ein. »Man erzählt sich, Mordred sei der Sohn einer Hexe. Artus hat ihn an den Hof genommen, weil er seine Seele verpfändet hat, um hundert Jahre alt zu werden. Ihr werdet schon sehen, Ritter Mordred wird auch nicht älter. Und König Artus muß schon über fünfzig
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