Das Comeback
1.
Auf dem Mulholland Drive hörte Bosch die Musik. Einzelne Klangfetzen von Streichern und Bläserakkorde wurden von den ausgedörrten Hügeln zurückgeworfen und gingen fast unter im Rauschen des Verkehrs, das vom Hollywood Freeway heraufdrang. Er konnte die Musik nicht identifizieren, aber sie wurde lauter, je näher er dem Cahuenga Paß kam.
Er verlangsamte sein Tempo, als er die Autos sah, die am Rande einer mit Schotter bedeckten Abzweigung standen. Ein Streifenwagen und zwei Wagen der Fahndungsabteilung. Bosch parkte seinen Caprice dahinter und stieg aus. Ein uniformierter Polizist lehnte am Kotflügel des Streifenwagens. Gelbes Plastikband, mit dem man in Los Angeles Tatorte absperrte und das in Meilenlänge eingekauft wurde, war vom Seitenspiegel über die Forststraße zu einem Schild auf der anderen Seite gespannt, dessen Aufschrift hinter den aufgesprühten Graffiti kaum zu erkennen war.
Los Angeles Feuerwehr
Hügeldiskrikt
Feuerwehrzufahrt
Betreten und offenes Feuer verboten!
Der Streifenpolizist, ein großer, blonder Mann mit sonnengeröteter Haut und Bürstenschnitt, richtete sich auf, als Bosch sich näherte. Das erste, was Bosch an ihm auffiel, war die Größe seines Schlagstocks. Er hing an einem Ring vom Gürtel. Der schwarze Acryllack am Ende des Knüppels war abgesprungen und ließ das Aluminium darunter sichtbar werden. Streifenbullen trugen ihre zerkratzten, kampferprobten Schlagstöcke mit Stolz – und zur Warnung. Diesem Cop machte es Spaß, Leute zu verprügeln. Daran bestand kein Zweifel. Auf dem Namensschild über der Brusttasche stand Powers. Obwohl die Sonne schon untergegangen war, trug er noch immer seine Ray-Ban-Brille. Der Cop blickte auf ihn herunter, und Bosch sah in den verspiegelten Gläsern der Sonnenbrille Wolken dunkelorange glühen. Solche Sonnenuntergänge erinnerten Bosch immer an die lodernden Feuer der Rassenunruhen vor ein paar Jahren.
»Harry Bosch«, sagte Powers und klang überrascht. »Seit wann bist du denn wieder zurück?«
Bosch musterte ihn einen Moment, bevor er antwortete. Er kannte Powers nicht, aber das bedeutete nichts. Wahrscheinlich kannte jeder Cop im Hollywood-Revier seine Geschichte.
»Seit heute«, sagte Bosch.
Er streckte seine Hand nicht aus. An einem Tatort begrüßte man sich nicht per Handschlag.
»Gerade erst wieder im Sattel, und das ist der erste Fall?«
Bosch zog eine Zigarette hervor und steckte sie an. Es verstieß gegen die Dienstvorschriften, aber er machte sich deswegen keine Sorgen.
»Könnte man sagen.« Er wechselte das Thema. »Wer ist unten?«
»Edgar und die Neue vom Pacific-Revier, seine schwarze Schwester.«
»Rider?«
»Was weiß ich.«
Bosch ging nicht auf die Bemerkung ein. Er kannte den Grund für das Vorurteil. Es spielte keine Rolle, daß Kizmin Rider Talent hatte und ein ausgezeichneter Detective war. Für Powers war das irrelevant, auch wenn Bosch es ihm versichern würde. Für Powers gab es wahrscheinlich nur einen Grund, warum er immer noch eine blaue Uniform trug und nicht die goldene Dienstmarke eines Detectives. Er war ein weißer Mann im Zeitalter der Quotenregelung für Frauen und andere Minoritäten. Am besten, man legte den Finger nicht auf die wunde Stelle.
Powers schien sein Schweigen als Kritik zu verstehen und fuhr fort.
»Sie haben mir gesagt, ich sollte die Geri und Kriwi durchlassen, wenn sie kommen. Ich schätze, sie sind fertig mit der Tatortuntersuchung. Du kannst also runterfahren, statt zu laufen.«
Bosch begriff erst nach einem Moment, daß Powers von der Gerichtsmedizin und der kriminalwissenschaftlichen Spurensicherung sprach. Es hatte sich angehört, als spräche er von einem Paar, das zu einem Picknick eingeladen war.
Bosch setzte einen Fuß auf den Asphalt, ließ die halb gerauchte Zigarette fallen und trat sie sorgfältig aus. Es wäre nicht gut, seine erste Morduntersuchung nach langer Zeit mit einem Waldbrand zu beginnen.
»Ich geh zu Fuß«, sagte er. »Ist Lieutenant Billets hier?«
»Noch nicht.«
Bosch ging zu seinem Wagen und griff durch das offene Fenster nach seiner Brieftasche. Dann kehrte er zu Powers zurück.
»Hast du sie gefunden?«
»So ist’s.«
Powers war mächtig stolz auf sich.
»Wie hast du den Kofferraum geöffnet?«
»Ich hab einen Drahtbügel im Auto. Damit hab ich die Tür geknackt und dann den Kofferraum geöffnet.«
»Warum?«
»Der Gestank. Es war offensichtlich.«
»Handschuhe angehabt?«
»Nee, hatte keine.«
»Was hast du
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