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AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

AvaNinian - Drittes Buch (German Edition)

Titel: AvaNinian - Drittes Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Norman
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Prolog
    18. Tag des Weidemondes 1465 p.DC
    Wäre es einem Nachtschwärmer eingefallen, sich im Palastgarten der d’Ozairis zu ergehen, um den Frühlingsmond zu bewundern, so hätte sich ihm ein seltsamer Anblick geboten.
    Jenseits des Wasserbeckens erhob sich inmitten des Innenhofes, umgeben von den fremdartigen Bäumen des Südens, das Schatzhaus der Familie. In den dunklen Jahren nach dem Einfall der Barbaren war ihr Ahnherr aus den Südreichen nach Dea gekommen, ein Kaufmann von großem Geschick und mit scharfem Auge für die Vorteile der rechtlosen Zeit. Nach der Machtübernahme des ersten Patriarchen hatten die d’Ozairis abermals gutes Gespür bewiesen, indem sie sich früh auf seine Seite schlugen und ihm durch alle Turbulenzen die Treue hielten.
    Das hatte ihnen die adelige Vorsilbe zu ihrem Namen eingebracht und heute erinnerten nur ihre dunklere Haut und die fremdartige Bauweise ihres Palastes an ihre Herkunft.
    Der schlanke Turm, der ihren sagenhaften Reichtum barg, war mit Kacheln verkleidet, spiegelglatt und glänzend. In dreißig Fuß Höhe durchbrachen auf zwei Seiten, nach Sonnenauf- und Sonnenuntergang, drei schmale, spitzbogige Fenster die Wand. Die d’Ozairis brüsteten sich damit, dass es bisher keinem Dieb gelungen war, sich an ihren Kostbarkeiten zu vergreifen, sie hatten es nicht für nötig gehalten, auch das Dach des Turmes zu schützen. Ein Fehler, wie der nächtliche Beobachter hätte feststellen können.
    Zwei Manneslängen unterhalb der Turmkrone schwebte eine dunkle Gestalt vor der blass schimmernden Wand. Ein Zuschauer hätte wahrhaftig scharfe Augen haben müssen, um das Seil zu sehen, das sie hielt. Ohne Eile, die Füße gegen die Mauer gestützt, glitt der Waghalsige tiefer. Vor einem drei Hand breiten, glitzernden Band stieß er sich ab, setzte mit angezogenen Knien darüber und landete lautlos. Er tat gut daran: Alle fünf Fuß durchbrach ein solches Band die glatten Kacheln, gespickt mit messerscharfen Bruchstücken von Glas und Kristall, ein weiteres Mittel, um unerwünschte Besucher abzuhalten.
    Der Kletterer hatte beinahe den oberen Rand der östlichen Fenster erreicht, als seine gemessenen, eleganten Bewegungen sich plötzlich in wildes Zappeln verwandelten. Ruckartig sauste der dunkle Körper in die Tiefe, der jähe Fall riss dem Stürzenden die Kapuze vom Kopf, ein Aufprall auf die spitzen Kiesel am Fuß des Turms schien unvermeidlich. Bevor jedoch der entsetzte Beobachter Zeit gehabt hätte, den Mund zum Schrei zu öffnen, straffte sich das Seil. Ein heftiger Ruck brach die Gewalt des Sturzes und der unglückliche Kletterer, der die Glieder eng an den Leib gezogen hatte, pendelte wild hin und her. Obwohl er sofort auseinander schnellte, prallte er mit Wucht gegen eines der Kristallbänder. Der dumpfe Schlag, das scharfe Geräusch reißenden Stoffes und ein unterdrückter Aufschrei trugen erschreckend weit in der Stille. Einen Moment lang baumelte die Gestalt unter den Fenstern wie eine Spinne am Faden, zusammengekrümmt und reglos, nur angestrengte Atemzüge waren zu hören.
    Endlich hob der Kletterer den Kopf und schaute in den Nachthimmel. Heftig riss er am Seil und der Zuschauer hätte nicht falsch geraten, wenn er Wut in dieser Geste gelesen hätte.
    Über den Zinnen erschien eine zweite Gestalt und langsam, langsam wurde das Seil hinaufgezogen. Der Kletterer bemühte sich, den Kristallbändern nicht zu nahe zu kommen, aber seine Bewegungen waren nicht mehr anmutig.
    Vor den Fenstern, die nicht weiter durch Läden oder Gitter gesichert waren, hielt er inne, schüttelte dann wie verzagt den Kopf und setzte seinen Aufstieg fort. Kurz darauf kroch er zwischen den Zinnen hindurch und verschwand aus dem Blickfeld.
    Der Beobachter hätte sich getrost wieder der Betrachtung des Mondes widmen können - in dieser Nacht störte niemand mehr die Schätze der d’Ozairis.

1. Kapitel
    »Bist du verrückt geworden, oder was?«, zischte Jermyn, als er sich mühsam aufrichtete. Wütend streifte er die Schlinge ab, sein Gesicht leuchtete kalkweiß im Mondlicht. »Du hast die ganze Sache versaut.«
    Er machte sich daran, den Flaschenzug abzubauen, den sie auf dem Dach des Schatzhauses aufgestellt hatten. Ninian stand mit hängenden Schultern neben ihm.
    »Oh, Jermyn, ich ... ich ... es tut mir leid.«
    Das Entsetzen stand ihr noch ins Gesicht geschrieben, sie zitterte, nicht nur wegen des Nachtwindes. Jermyn beachtete sie nicht, er ächzte, während er das Gestell

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