Baby-Bingo
dass wir so ein Paar werden wie die beiden dort drüben in der Ecke. Seit einer Stunde sitzen sie sich stumm gegen über, schauen gelangweilt aneinander vorbei, während sie wortlos ihre spaghetti alle noci essen. Und ihre Highlights des Abends sind, wenn der Kellner den nächsten Gang bringt. Über die langen Jahre der Zweisamkeit ist ihnen der Gesprächsstoff ausgegangen. Nein, so will ich nicht enden.
Ich möchte auch eine bunte, fröhliche Giorgio-Familie. Oder zumindest einen Teil davon.
»Das war’s«, sagt Martin.
Er meint zum Glück nur meinen Geburtstag. Als wir den Feldweg in der Dunkelheit nach unten stolpern, weil wir eine Taschenlampe vergessen haben, kündigen die Turmuhren von San Gimignano gerade Mitternacht an.
»Nicht ganz«, sage ich. »Ich hätte da schon noch einen Wunsch.«
»Okay, ich mache eine Ausnahme, obwohl dein Geburtstag offiziell schon vorbei ist.«
Martin ist bester Laune. Guter Wein und ein Italiener, der sichtlich begeistert von mir war, aber gleichzeitig auch ihn mit dem gebotenen Respekt behandelte und die Besitzrechte nicht infrage stellte. Das ist exakt die Mischung, die Männer mögen.
»Und du versprichst mir wirklich, dass du alles tust, um meinen Wunsch zu erfüllen?«
»Du hast meine Blankozusage«, sagt Martin.
»Ich habe heute beschlossen, dass ich spätestens bis zu meinem 40. Geburtstag Mama sein möchte. Ohne Wenn und Aber. In zwei Jahren kommen wir wieder hierher, und dann als kleine Familie. Einverstanden?«
Ich spüre, wie Martin nach den passenden Worten für diesen überraschenden Wunsch sucht.
»Aber klar doch, spricht nichts dagegen«, sagt er schließlich mit der männereigenen Nüchternheit.
»Du versprichst es mir?«
»Sicher. Ich meine, es liegt ja nicht nur an mir. Aber meinen Beitrag werde ich leisten.«
Er zieht mich an sich. Und in diesem Moment sehe ich einen kleinen leuchtenden Punkt vor uns. Ein Glühwürmchen. Und noch ein weiteres. Dann ein drittes. Wie lange habe ich keine Glühwürmchen mehr gesehen! Ich glaube, das letzte Mal war ich noch ein Kind. Die drei Glühwürmchen begleiten uns ein paar Meter, dann fliegen sie wieder hinaus in die toskanische Nacht. Ich gebe ihnen meinen größten Wunsch mit auf den Weg und beschließe, diese Glühwürmchenfamilie als ein gutes Omen zu sehen.
Martin
Der Anruf
Es begann damit, dass Carla überall in der Wohnung ihre Bücher liegen ließ. In ihrem Arbeitszimmer, neben der Couch, auf dem Nachttisch. Dutzende Bücher, zum Teil aufgeschlagen und mit Post-it-Zetteln gespickt. Bücher mit Titeln wie Schwanger ab 35 , Gelassen durch die Kinderwunschzeit oder Heute müssen wir es tun«. Wie viele Frauen besitzt auch Carla die Angewohnheit, mehrere Bücher parallel zu lesen. Eine Eigenart, die uns Männern total fehlt. »Weil ihr Männer eben nicht mehrere Sachen gleichzeitig machen könnt«, sagt Carla. »Weil ihr Frauen euch nicht auf eine einzige Aufgabe konzentrieren könnt«, sage ich.
Zu Carlas verstreuten Büchern gesellten sich bald Ausrisse aus Zeitschriften und Zeitungen. Darin geht es um die schwan gerschaftsfördernde Wirkung von Lavendelbädern oder um Mönchspfeffer als Geheimtipp der Hormonregulation. Und es gibt in der Wohnung weitere Zeichen ihres akuten Schwangerschaftswunsches – sorry, unseres Schwangerschaftswunsches. Die Hausapotheke vergrößert sich täglich. Was sicher nicht an meinem Beitrag liegt. Der besteht im Wesentlichen aus Aspirin, ein paar Vitamintabletten, altem Mückenstichgel, Pflaster und einem Echinacin-Fläschchen mit bereits angetrocknetem Deckel. Vor fünf Jahren, am Anfang unserer Beziehung, passte der Inhalt unserer Privatapotheke in eine große Obstschale im Küchenregal. Zwei weitere Schalen kamen dazu, die aber bereits wieder zu klein sind und überquellen. Wie im Märchen Der süße Brei . Da sagt das Mädchen »Töpfchen koch!«, und der Brei wird mehr und mehr. Er läuft über den Topfrand, über den Herd, hinaus ins Zimmer, dann auf die Straße, schließlich überschwemmt er die ganze Stadt.
Unser Brei besteht zum Großteil aus Wunderwerken der Pharmazie, die Carla zur baldigen Schwangerschaft verhelfen sollen. Die überschwemmen wohl bald die ganze Wohnung. Ausgehend auch bei uns von der Küche, wo sich Schachteln mit Gelbkörperhormonen und Magnesiumpräparaten stapeln, bis hin zum Badezimmer mit allerlei Teststreifen zum Schwangerschaftscheck.
Längst habe ich mir abgewöhnt, mir die Schachteln im Detail anzusehen. Das ist für einen Mann
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