BACCARA MAGISCHE MOMENTE Band 01
angefangen.
1. KAPITEL
Montag, 03:37 Uhr
Wenn Gideons Telefon mitten in der Nacht klingelte, war meistens jemand tot. „Raintree.“ Seine Stimme war vom Schlaf rau.
„Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.“
Die Überraschung, die Stimme seines Bruders zu hören, ließ Gideon sofort hellwach werden. „Was ist passiert?“
„Es gab einen Brand im Kasino. Könnte schlimmer sein“, fügte Dante hinzu, ehe Gideon fragen konnte, „aber ich wollte nicht, dass du es in den Morgennachrichten siehst und dich wunderst. Ruf Mercy in ein paar Stunden an, und sag ihr, dass es mir gut geht. Ich werde in den nächsten Tagen alle Hände voll zu tun haben.“
Gideon setzte sich auf. „Wenn du mich brauchst, komme ich sofort.“
„Danke, aber nein. Du solltest diese Woche auf keinen Fall in ein Flugzeug steigen, und hier ist alles so weit in Ordnung. Ich wollte dich nur anrufen, ehe ich bis zum Hals im Papierkram stecke.“
Gideon strich sich durchs Haar. Vor seinem Fenster brachen sich die Wellen des Atlantiks an der Küste. Er bot noch einmal an, nach Reno zu kommen. Wenn es sein musste, fuhr er zu ihm. Aber Dante lehnte ab und beendete das Gespräch.
Gideon hörte den Wellen des Ozeans zu und dachte nach. Keine Woche mehr bis zur Sommersonnenwende. Sein elektrisches Kraftfeld geriet langsam außer Kontrolle. Normalerweise passierte das nur, wenn ein Geist in der Nähe war, doch in den letzten Tagen ließ er auch so sämtliche Leitungen und Geräte in seiner Nähe durchdrehen. Das würde sich so bald nicht ändern, im Gegenteil. Vielleicht sollte er sich freinehmen und der Wache fernbleiben. Er schloss die Augen und schlief wieder ein.
Sie erschien ohne Warnung, schwebend über dem Fußende seines Bettes. Heute Nacht trug sie ein weißes Kleid, und ihre langen, dunklen Haare hingen auf ihren Rücken hinab. Sie hatte gesagt, sie würde eines Tages Emma heißen. Sie war ganz anders als die Geister, die ihn sonst heimsuchten. Dieses Kind kam nur in seinen Träumen zu ihm. Sie kannte keine Ungerechtigkeit, kein gebrochenes Herz, keine ungenutzten Chancen. Stattdessen brachte sie Licht und Liebe, und das Gefühl von Frieden. Und sie bestand darauf, ihn „Daddy“ zu nennen.
„Guten Morgen, Daddy.“
Gideon seufzte und setzte sich auf. Er hatte diesen besonderen Geist zum ersten Mal vor drei Monaten gesehen, aber ihre Besuche waren in letzter Zeit häufiger geworden – und immer wirklicher. Wer weiß?Vielleicht war er in einem früheren Leben ihr Vater gewesen. In diesem Leben würde er der Daddy von niemandem sein.
„Guten Morgen, Emma.“
„Ich bin so aufgeregt.“ Der Geist des kleinen Mädchens lachte.
Gideon mochte dieses Lachen. Er redete sich ein, dass dieses Gefühl nichts bedeutete. Überhaupt nichts. „Warum bist du aufgeregt?“
„Ich komme bald zu dir, Daddy.“
Er seufzte. „Emma, Liebling, Ich habe es dir schon hundert Mal gesagt, ich werde in diesem Leben keine Kinder bekommen, also kannst du aufhören, mich Daddy zu nennen.“
„Sei doch nicht blöd, Daddy.“
Sie hatte die Augen der Raintree und sein dunkelbraunes Haar. Aber er wusste, dass er nur träumte. „Ich sag dir das nur ungern, Kleines, aber um ein Baby zu machen, muss es auch eine Mommy geben, nicht nur einen Daddy. Ich habe nicht vor zu heiraten, und ich werde auch keine Kinder bekommen. Du musst dir wohl einen anderen Daddy suchen.“
„Du bist so stur. Ich komme zu dir, Daddy, in einem Mondstrahl.“
Gideon hatte sich schon an romantischen Beziehungen versucht. Es hatte nie funktioniert; er musste so viel von sich verbergen. Er musste sich bereits vor seinem Vorgesetzten, seiner Familie und einem nie endenden Strom aus Geistern rechtfertigen. Bestimmt begab er sich in keine Position, in der er auf noch jemanden Rücksicht nehmen musste. Frauen kamen und gingen, und er sorgte dafür, dass ihm keine zu nahe kam.
Es war Dantes Aufgabe, sich fortzupflanzen, nicht seine. Gideon warf einen Blick auf seine Kommode, auf der sein neuester Fruchtbarkeitszauber lag. Er musste nur noch eingepackt und verschickt werden. Wenn Dante erst einmal Kinder hatte, stünde Gideon nicht mehr an erster Stelle in der Thronfolge zum Dranir, dem Familienoberhaupt der Raintree. Gideon konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als Dranir zu sein, außer vielleicht zu heiraten.
Sein großer Bruder hatte im Moment allerdings alle Hände voll zu tun, also sollte er vielleicht ein paar Tage warten, ehe er ihm den Zauber schickte.
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