Balla Balla
höchstpersönlich zerrte die Gewinner anschließend durch die Dosensuppenfabrik, vorbei an hochautomatischen Abfüllanlagen, Einfüllstutzen und Etikettiermaschinen. Umgeben vom süßlich-klebrigen Suppigeruch, wurde es Plotek langsam übel. Ob es der aufdringliche Geruch war, die Worte oder der Anblick von so viel flüssig-brauner Suppibrühe – keine Ahnung. Auf jedem Fall bekam am Ende jeder der Teilnehmer einen Teller Suppi zu essen, und da war es gänzlich um Plotek geschehen. Ihm war speiübel. Er war sich sicher, dass der Suppi-Suppe statt der zarten Rinderhappen und der Fleischstückchen aus einer Wildbretmischung irgendein vergammelter Schweinekram beigemischt worden war, den irgendein böswilliger Mitarbeiter hinter der Abfüllanlage gefunden hatte.
Der Geruch erinnerte Plotek frappierend an das Fressen von Fritz, der Katze, die Plotek adoptiert hatte. Es roch genauso. Und schmeckte auch so. Man mag sich fragen, wie Plotek denn wissen will, wie Fritz‘ Fressen schmeckt. Na ja, probiert hat er’s. Nicht wissentlich, anfänglich, also ohne Absicht. Als er im Kühlschrank nach der angebrochenen Gulaschdose gefischt hatte, hatte er irgendwie daneben gegriffen. Ob der Rausch am Abend zuvor oder die Gedankenlosigkeit daran Schuld waren – keine Ahnung. Auf jeden
Fall hat Plotek nichts bemerkt. Dann schon. Als er nämlich, schon während des Essens, noch einmal zum Kühlschrank gegangen war, um das Unertl-Weißbier herauszuholen, hatte er gesehen, dass das Gulasch noch im Kühlschrank stand, obgleich es eigentlich schon lange im Teller auf dem Tisch respektive in Ploteks Magen hätte sein müssen. Schlagartig war alles klar und Plotek war so übel, dass nur noch der Finger im Rachen über der Kloschüssel helfen konnte. Seither war Katzenfutter für Plotek tabu, Gulasch auch. Und alles, was im Entferntesten daran erinnerte, also auch Dosensuppe, stand nicht mehr auf seinem Speiseplan.
»Komm, mach schon«, sagte Agnes, »reiß dich zusammen.« Und dann legte sie noch ein wenig forscher nach. »Wegen der Höflichkeit.«
Scheiß auf die Höflichkeit, dachte Plotek und wollte den Teller schon von sich schieben. Aber wenn 39 Augenpaare auf einem klebten wie Fliegen auf einem Kuhfladen, ging das natürlich nicht. Also schaufelte er ein paar Löffel in sich hinein. Die Augenpaare wurden weniger, und als er fertig war, waren sie weg. Und Plotek war zum Speien übel. Da half das Schnäpschen zur Verdauung auch nichts mehr.
Sein Verdauungstrakt drückte, spannte und brodelte wie der Vesuv kurz vor dem Ausbruch 79 nach Christus. Nur noch gebückt und mit schmerzverzerrtem Gesicht konnte sich Plotek vorwärts bewegen. Zuerst nahm ihn Agnes gar nicht ernst, lachte sogar: »Jetzt hab dich doch nicht so!«, sagte sie, weil sie mittlerweile wusste, dass Plotek und Krankheit zusammenpassten wie Homosexualität und das Zölibat oder Lothar Matthäus und ein Mikrofon, in das er so schöne Sätze wie Wenn man sich einredet, man ist müde, dann ist man müde spricht. Im Fall von Plotek krank. Agnes war, als sie Plotek kennengelernt hatte, schnell klar geworden, dass in Ploteks Leben Krankheiten allgegenwärtig waren, so allgegenwärtig wie das Ungeheuer von Loch Ness im Sommerloch. Es tauchte ständig auf, aber niemand hat es wirklich gesehen. So war es auch mit den Krankheiten von Plotek. Fortwährend spürte er einen Schmerz, überall, Herz, Lunge, Hoden, Kehlkopf, Magen, aber Doktor Hohenthaler fand nichts.
»Psychisch«, sagte der Hausarzt, »das ist alles psychisch, Plotek.«
Agnes schüttelte dann den Kopf und sagte: »Oder einfach nur Einbildung.« Na ja, stimmt womöglich, könnte man denken, einerseits. Andererseits dann auch wieder nicht. Denn ob eingebildet oder nicht, der Hoden zwickt trotzdem, die Lunge sticht, als läge sie unterm Messer, und im Magen geht es drunter und drüber.
Wie jetzt. Der Magen spannte und war so erregt, als wäre Suppi-extra-plus kurz vor dem Ausbruch. Plotek wurde ganz weiß im Gesicht. Er fing an zu schwitzen, sodass auch Agnes nicht mehr anders konnte, als den Verdacht der Einbildung fallen zu lassen und der Sorge Platz zu machen.
»Leg dich erst mal ins Bett«, sagte sie, als sie wieder im Hotel waren.
Aber denkste. Kaum lag Plotek unter dem Plumeau, wurde Suppi-extra-plus aktiv. Schlagartig. Plotek kam gerade noch bis zur Klotür, als der Vesuv ausbrach. Das Hotelzimmer sah danach aus wie Pompeji und es stank gotterbärmlich.
Ob’s die Dosensuppe war oder sein malader
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