Baltasar und andere Begegnungen und Geschichten aus Ecuador
Stunden später von einer zarten, dunklen Ascheschicht im Inneren überrascht.
E s stimmte, dass diese Stadt ein besonderes Frühlingsklima aufwies und viele Ecuadorianer deshalb davon schwärmten. Aber die Begeisterung geschah auch deshalb, weil die meisten Besucher aus dem saunaähnlichen Küstenklima oder der kalten Bergregion entflohen waren. Sie konnten nach einem kurzen staubigen Wochenende wieder das Weite suchen.
Glücklicherweise legte sich irgendwann der chronische Vulkanhusten mit seinen staubigen Auswürfen. Die Menschen konnten wieder unbeschwert durchatmen. An den Wäscheleinen hing frisch gewaschene Wäsche. Und so genossen die ecuadorianischen Touristen Baños als sicheren, gemütlichen, idyllischen und vor allem heiligen Urlaubsort. Ihre kleine Oase mit ganzjährigem gemäßigtem Klima von angenehmen fünfundzwanzig Grad Celsius. Sie bummelten fröhlich mit den Kindern und großen Eistüten durch die kleine überschaubare Innenstadt, saßen in einem komischen Fred-Feuerstein-Tourbus oder mieteten sich waghalsig ein Quad mit abenteuerlichem Überrollbügel. An jeder Ecke wurden bunte Zuckermassen zu Süßigkeiten geformt und verbreiteten eine unbekümmerte Kirmesstimmung.
Die Freizeitaktivitäten der einheimischen Touristen unterschieden sich jedoch völlig von denen der Ausländer. Größtenteils junge Rucksacktouristen – früher Backpacker genannt, heute Traveller – rauschten für ein oder zwei Tage an, um alles amerikanisch Klingende zu unternehmen. Alles, was Adrenalin versprach oder zumindest auf »ing« endete wie Hiking, Mountainbiking, Rafting, Climbing. »Adventure extrem«, schnell und in kürzester Zeit. Danach wurden die großen Rucksäcke wieder in die bunten Überlandbusse verfrachtet. Das »Travelling« ging munter im nächsten Land weiter, bis zum Qualmen der elterlichen Kreditkarte.
Es war ein lebhaftes Kommen und Gehen, Anreisen und Abreisen. Die mit offenem Maul am Straßenrand gegrillten Meerschweinchen drehten sich täglich weiter. Baños galt als Ort mit den schmackhaftesten Meerschweinchen des Landes. Und diese Delikatesse bekam der Ecuadorianer nicht jeden Tag frisch auf den Tisch. Ohne Fell sahen die kleinen Tiere wie unansehnliche Ratten aus. Vielleicht kam die Assoziation zu den anderen Nagern auch nur durch ihre blasse Nacktheit. Die gemeinsamen Merkmalen wie nadelspitze Krallen, lange Schwänze und scharfe Schneidezähne in den geöffneten Mäulern, die den Feinschmeckern bösartig entgegengrinsten, ließen diese gedankliche Brücke schlagen. Knusprig braun gegrillt sahen sie dagegen sehr appetitlich aus. Sie waren kaum wiederzuerkennen, glichen nun eher kleinen Spanferkeln.
Baños versprühte , egal was der Besucher suchte, eine außergewöhnliche Atmosphäre. Und nach einigen Tagen nahmen auch wir nicht mehr die hässlichen Betonbauten der Stadt oder den staubigen Auswurf des Vulkans wahr; sondern gingen wie ecuadorianische Touristen mit einem Eis durch die Innenstadt, ließen uns kulinarisch verwöhnen und genossen die unbeschwerte Langsamkeit des Ortes.
Die Stadt leistete sich sogar den Wohlstand einer organisierten Müllabfuhr. Jeden Spätnachmittag fuhr der bunt bemalte Müllwagen mit einer Art Spieluhrmusik durch die Gassen und verkündete die gemeinschaftliche Sauberkeit; für die Einheimischen, aber auch für das empfindliche Auge des geschätzten Touristen. Der Müll wurde hier nicht still und heimlich entsorgt, sondern mit Stolz und lautem Getöse.
Baños war nicht nur berühmt für seine quietschenden Vierbeiner auf dem Grill, sondern auch für seine Schwitzkisten, den »Baños de Cajón«. Die Besucher ließen sich in dampfenden Saunakisten mit hundert Grad Celsius setzen. Die Besonderheit der energiesparenden Schwitzkisten lag darin, dass nur der Kopf aus der Holzkiste herausragte, während sich der schwitzende, entschlackende Körper in der Kiste befand. Die Kiste war räumlich nicht größer, als eine still sitzende Person zum Wohlfühlen brauchte. Und weil gemeinsames Saunieren mehr Spaß machte, standen die Schwitzkisten häufig auch in Grüppchen beisammen. Kiste an Kiste, wobei die Köpfe wie aneinander gereihte Schießbudenfiguren auf dem Rummel aus ihren Löchern guckten.
W ar Baños vielleicht doch so beliebt, weil es ein kleiner Vergnügungspark mitten im unterentwickelten Ecuador war?
Ingapirca – Archäologie alte Steine Lamas verhökerte Artefakte Überraschung Selbstbewusstsein Bretterbude Dollarzeichen Ausgrabungen Korruption
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