Bank, Banker, Bankrott. Storys aus der Welt der Abzocker
gesorgt, dass als erste Restrukturierungsmaßnahme der Lehrling entlassen worden war. »Es braucht einen harten Schnitt, wenn es wieder aufwärts gehen soll«, hatte Meier markig verkündet, »wo gehobelt wird, fallen Späne, he, he«, und dann hatte er sich noch gewundert, wieso die Rüdisühlis nicht in sein Lachen eingestimmt hatten. Auf jeden Fall kam die Schreiner nicht mehr zum Schreinern, aber der Restrukturierungsprozess war in vollem Gang.
Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht hinbiegen würden, sagte Meier nun an jeder Sitzung mit seinen drei Losern, endlich konnte die extra bestellte Sekretärin ein Protokoll führen, mit Traktanden, Verabschiedung des vorherigen Protokolls, Pendenzen, Arbeitsbericht und allen Schikanen.
Auch auf einem Abstellgleis kann man noch sinnvolle Arbeit leisten, sagte sich Meier befriedigt, ein Könner kann’s halt auch im Kleinen. Er diktierte der Sekretärin gerade den üblichen Text fürs Protokoll, »Restrukturierung Schreinerei Rüdisühli auf gutem Weg, eingeleitete Maßnahmen zeigen Wirkung, Turnaround erfolgreich eingeleitet, Kapitalflussrechnung belegt, dass …«, als er die Wortmeldung eines der drei Loser nicht länger ignorieren konnte.
»Das muss jetzt aber verdammt wichtig sein«, sagte Meier ungnädig, »aber sicherlich hat es auch Zeit bis zur morgigen Sitzung. Oder noch besser: Schreiben Sie ein Memo, ich bin jetzt gerade schön in Fahrt.«
Aber der Loser gab nicht klein bei, sondern sagte: »Ich wollte nur zur Kenntnis bringen, dass die Schreinerei Rüdisühli gestern die Bücher deponiert hat, Konkurs.«
Fünf
Philipp Kuster ist ratlos. Das passiert ihm nicht allzu häufig, und nie vor Kunden, aber diesmal ist er wirklich ratlos. Diese verdammte Fusion, denkt Kuster ein ums andere Mal. Immerhin hatte man sein Gehalt nicht angetastet, aber dieser Abstieg, weg von der Bahnhofstrasse, raus nach Oerlikon. Bitter. Und an alle möglichen Folgen hatte Kuster gedacht, nur nicht an diese. Denn das war vorher kein Problem gewesen. Jetzt aber schon. Welchen neuen Anzug sollte er sich kaufen? Vorher war Kuster ganz klar ein Brioni-Mann gewesen, schon bevor das durch diese Scheiß-Bond-Filme allgemein im Schwange war. Brioni für den Tag, für lockereres Socializing am Abend auch mal einen Versace, aber natürlich nur Sachen, die nicht zu schwul wirkten.
Aber jetzt? Versetzt in die Strafkolonie nach Oerlikon, ins Backoffice, wie sollte Kuster da anzugsmäßig reagieren? Trotzig weiterhin Brioni? Aber wenn man ihm das als Arroganz auslegen würde? Er konnte schon die hämische Bemerkung von Müller hören, der leider die Fusion auch überlebt hatte: »Schaut mal, Brioni, Kuster meint wohl, er säße immer noch an der Bahnhofstrasse.«
Peinlich. Also runter auf Boss? Niemals, das tragen ja alle frisch gebackenen Absolventen der HSG schon. Unmöglich. Armani? Schon etwas besser, aber eigentlich langsam etwas zu jugendlich für Kuster, außerdem mochte er den Stil nicht besonders. Kuster seufzt tief. Cerrutti dann? Wirkt wieder etwas abgehoben, tragen nicht viele. Scheiße, denkt Kuster, vielleicht hätte ich doch lieber kündigen sollen, als diesen Schlag einfach hinzunehmen. Windsor, Navy Boot? Kuster schüttelt es leicht, die Revers sind zwar immerhin nicht geklebt, aber dennoch, man kann ja nicht einmal mehr die Ärmel knöpfen, kommt nicht in Frage. Also doch vielleicht Versace? Tagsüber? Geht nicht, zu schwul, keine Chance. Oder ganz umorientieren, wie wäre es denn mit Dior oder YSL? Da könnte ich mir ja auch in der Savile Row ein englisches Jackett mit Rosshaarfüllung basteln lassen, denkt Kuster, das kann es ja auch nicht sein.
Trübsinnig schlendert er die Bahnhofstrasse hinunter. »Wichtiger Termin«, hatte er in Oerlikon gesagt, solche Freiheiten nimmt er sich, das muss schon sein. Plötzlich bleibt Kuster stehen, schaut ins Schaufenster, denkt: Aber hallo, ist ja eigentlich gar nicht so schlecht. Verschämt blickt er sich um, schleicht in den Laden und ersteht sich einen dunkelgrauen und einen schwarzen Einreiher, will an der Kasse seine Kreditkarte zücken, aber als er den Gesamtbetrag sieht, kichert er leise und legt eine Fünfhunderternote auf die Theke. »Stimmt so«, sagt er großzügig, und dem gepiercten H&M-Kassierer fällt fast der Unterkiefer runter.
Frohgemut eilt Kuster nach Hause in sein Loft. Nach kurzem Suchen findet er endlich das Gewünschte, trennt leicht schwitzend sämtliche Labels aus den beiden Anzügen, holt sich seine beiden
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