Betoerendes Trugbild
Prolog
München, Deutschland, vor 2 Jahren
Fast blind hatte Samantha sich durch die Lüftungs- und Wartungsschächte gezwängt. Sie überprüfte noch einmal den Sitz der Lederriemen um ihre Oberschenkel, dann hob sie vorsichtig die Deckenplatte an und schob sie zur Seite. Nahezu geräuschlos ließ sie ihren Oberkörper aus der Öffnung gleiten und hing nun kopfüber von der Decke, nur von den Riemen gehalten. Wie geplant befand sie sich mit dem Gesicht direkt vor dem Sicherungskasten.
Sie nahm die kleine Taschenlampe zwischen die Lippen und öffnete mit ihren Werkzeugen den Kasten. Mit geübten Handgriffen klemmte sie ihr Überbrückungskabel an die richtigen Stellen und kappte den Draht dazwischen. Dann steckte sie drei Sicherungen um und murmelte leise: „Alles klar.“
Die Handschuhe stellten sicher, dass sie keine Fingerabdrücke hinterließ. Nachdem auch ihr Partner ein leises „Alles klar“ hören ließ, hangelte sie sich durch die Öffnung nach oben und schob die Platte wieder an Ort und Stelle, kurz darauf trat sie den Rückweg an.
Elegant kletterte sie im Bad ihres Hotelzimmers aus der Decke und landete sicher auf dem Badewannenrand. Dieser Teil des Jobs hatte noch nie zu ihren Lieblingsbeschäftigungen gehört – sie war froh, endlich dem engen Schacht entkommen zu sein. Sie schlüpfte aus Catsuit und Handschuhen und zog stattdessen das schwarze Abendkleid über, das sie auch getragen hatte, als sie mit ihrem Partner das Hotelzimmer betreten hatte.
Sie verstaute ihr Werkzeug in der eleganten Tasche und richtete vor dem Spiegel ihre Frisur. Erst dann erlaubte sie sich ein kleines Lächeln. Zufrieden nahm sie in dem gepolsterten Sessel vor dem Bett Platz.
Es dauerte nicht lange, bis ihr Komplize in seinem Anzug das Hotelzimmer betrat. Er sah entspannt aus und stellte die große, schwarze Reisetasche auf dem Fußboden ab; dabei grinste er Samantha an.
„Saubere Sache“, sagte er und kniete sich hin, um den Reißverschluss aufzuziehen. Sam spürte, wie sich das wohl bekannte, erregte Kribbeln in ihrem Bauch breit machte. Es gab kaum einen besseren Rausch als den, den sie fühlte, wenn sie eine große Menge Geld betrachtete.
Sie leckte sich kurz über die Unterlippe und fragte dann: „Wie viel ist es?“
„Genau wie ich gesagt habe: Knapp 250.000 Euro plus Schmuck.“
„An dem Schmuck bin ich nicht interessiert, ich will nur das Geld.“
Er warf ihr einen erstaunten Blick zu und fragte: „Ernsthaft?“
„Ja, ernsthaft.“ Mit einer anmutigen Bewegung erhob sie sich aus dem Sessel und beugte sich über die Reisetasche. „Ich würde gern nachzählen.“ Es war eine Information und keine Frage. Sie zog die Bündel hervor und ließ die Scheine durch ihre Finger gleiten. Sie liebte dieses Gefühl.
„Traust du mir etwa nicht? Ich bin enttäuscht. Dabei kennen wir uns doch schon so lange“, klagte ihr Komplize mit gespielt gekränkter Stimme.
Samantha verdrehte die Augen, während sie die Geldbündel in zwei gleichmäßige Stapel aufteilte. „Ich traue niemandem.“
„In unserem Job ein kluger Leitsatz“, stimmte er ihr zu und nahm nun selbst in dem Sessel Platz, auf dem Samantha zuvor gesessen hatte. Sie fühlte seinen Blick auf sich ruhen. Mit blitzenden Augen hob sie den Kopf und sah sein schuldbewusstes Grinsen.
„Hast du nichts Besseres zu tun als mir in den Ausschnitt zu starren?“, fragte sie mit einem scharfen Tonfall.
Er hob abwehrend die Hände und lächelte charmant. Samantha verstand, warum es ihm so spielend gelang, Frauen zu verführen und ihnen Geheimnisse zu entlocken – wie zum Beispiel der Frau des Hotelbesitzers. Ohne sie hätte er nie erfahren, dass dienstagabends das meiste Geld im Hotelsafe war, da der Geldtransporter erst mittwochmorgens kam. Fast genauso wichtig war auch die Information gewesen, dass der Wachwechsel immer um exakt 18.15 Uhr stattfand.
„Ich würde dir auch auf den Hintern starren, aber du hast den niedlichen, kleinen Anzug ja leider schon wieder ausgezogen. Ich nehme, was ich kriegen kann.“
Davon war Sam überzeugt. Als ihr Auftraggeber ihr den Job vermittelt hatte, war sie zuerst skeptisch gewesen, denn am liebsten arbeitete sie alleine. So trug sie zwar selbst das volle Risiko, hatte gleichzeitig aber auch die Kontrolle über alles. Sich selbst konnte sie einfach am besten vertrauen, darüber war sie sich im Klaren – ganz im Gegensatz zu einem Partner, dessen Gedanken sie letzten Endes nun einmal nicht lesen konnte.
Doch
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