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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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Intensität und den Hunger, mit dem er sie so oft gemustert hatte, die wilde Befriedigung, als es in ihrer Ehe mit Leo zu kriseln begann. Alles, was sie in seinen Augen von ihm getrennt hatte, war ausgelöscht. Ihr Bruder, ihr Mann, ihr ungeborenes Kind. Darüber war er froh, sosehr er sich deswegen auch schämte. Er mochte sich darüber im klaren sein, daß sich die Geister’ nicht so schnell vertreiben ließen wie die Lebenden. Dennoch glaubte er, sie besiegen zu können. Doch das konnte er nicht. Die Geister waren stark, viel stärker, als die Lebenden jemals sein konnten. Er spürte, wie sie ihm entglitt. »Sieh mich an, Johanna.« Er hielt sie immer noch an den Händen, zog sie zu sich heran und brachte sein Gesicht dicht vor das ihre.
    Ihre Augen waren unnatürlich geweitet, und in ihnen stand unendlicher Schmerz. Er begriff, daß er verloren hatte. Abrupt ließ er sie los und stand auf. Er nahm ihre Handtasche vom Boden auf und holte die Amery-Akte aus dem Umschlag.
    »Was hast du damit vor?« fragte Johanna mit plötzlich erwachendem Argwohn.
    »Das, was du schon die ganze Zeit damit tun wolltest.« Er ging zu dem aus der Tudor-Zeit stammenden Sekretär in der Ecke des Zimmers und zog eine Schublade auf. Johanna stand vom Bett auf und folgte ihm. Sie kämpfte gegen das Schwindelgefühl an, und ihre Füße bewegten sich mit jedem Schritt sicherer. Sie blieb hinter ihm stehen und sah, daß er ein Fax-Gerät in Betrieb gesetzt hatte. Er legte das Blatt Papier ein, auf dem er Jorges letzte Geständnisse notiert hatte, sowie mehrere Seiten der Amery-Akte. »Wohin?« fragte er, während er die deutsche Vorwahl eintippte. Sie schluckte, dann sagte sie ihm die erstbeste Nummer, die ihr einfiel. Es war die von Jäger, dem Staatsanwalt.

    Wiking war an diesem Sonntag entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten noch zur Bank gefahren. Er stand vor der Fensterfront seines Arbeitszimmers und schaute aus der Höhe der vierzehnten Etage über die Stadt. Frankfurt erstickte im Schnee, ein seltenes Ereignis. Es hatte den ganzen Tag lang geschneit, und die klirrende Kälte sorgte dafür, daß die Schneedecke immer dicker wurde. Unzählige Räumfahrzeuge waren im Einsatz, doch sie schafften es nur mit Mühe. Auf dem Alleenring war der Verkehr über weite Strecken zusammengebrochen. Wiking selbst hatte zwei Stunden gebraucht, um aus dem Taunus hierherzukommen. Außer dem Wachmann in der Eingangshalle war er der einzige Mensch in der Bank. Er schloß die Augen und ließ die Leere des Gebäudes unter seinen Füßen in sich hineinsickern. Ernst rief nicht an, obwohl er für acht Uhr abends seinen Anruf angekündigt hatte. Jetzt war es neun. Ernst hatte sonst stets mit dem Glockenschlag pünktlich angerufen. Wiking wußte, daß Pünktlichkeit einer der tragenden Pfeiler in Ernsts Leben war.
    Wiking ließ seinen Blick über die dunklen Türme der Macht schweifen. Ihre Umrisse verloren sich in der Schwärze des Himmels, den er bald nicht mehr sehen würde.
    Ein Piepen signalisierte ihm den Anruf des Wachmanns. Wiking ging zum Schreibtisch und meldete sich. Sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, als er hörte, was der Wachmann ihm zu sagen hatte. »Natürlich«, sagte er. »Ich erwarte sie.«
    Während er zurück zum Fenster ging, nahm Wiking sein Handy aus der Brusttasche seines Jacketts und wählte die Nummer, die er auswendig kannte. Er machte sich nicht die Mühe, nach nebenan in sein Schlafzimmer zu gehen, sondern knöpfte direkt vor dem Fenster die Hose auf. Stöhnend lauschte er der Frauenstimme, mit zurückgeworfenem Kopf und geschlossenen Augen. Irgendwann beendete er die Verbindung und machte seine Hose wieder zu, ohne sich zu reinigen. Wiking dachte an das, was vor ihm lag. Er spürte keine Angst, nur eine unbestimmte Enttäuschung, daß alles vorbei war. Er ging zum Schreibtisch, setzte sich und legte seine Hand auf den schweren, geschliffenen Opal-Briefbeschwerer. Er drehte den runden Stein, versetzte ihn in kreiselnde Bewegungen, bis die feine Maserung vor seinen Augen verschwamm. Als der Opal wieder ruhig lag, betastete Wiking ein letztes Mal die glatte, kühle Oberfläche mit den Fingerspitzen, ließ sie mehrere Sekunden dort ruhen. Dann griff er zur Seite und zog eine der Schubladen auf.

    Jäger stand zusammen mit drei Kripobeamten im Fahrstuhl und musterte sein müdes, gefurchtes Gesicht in der spiegelnden Chromfläche. Die Blinklichter der Stockwerksanzeige wechselten schnell, und erst als die Vierzehn

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