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Bankgeheimnisse

Bankgeheimnisse

Titel: Bankgeheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Sievers
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die Knie gefallen und habe seine Hand geküßt. Das habe ich für dich getan.« Unbewegt betrachtete er ihre kleinen Hände, die sich an ihren Seiten öffneten und schlossen. »Ich war einer von den scugnizzi, ein Gassenjunge, der oft die Schule schwänzte und sich irgendwie durchs Leben schlug. Das war das Leben in Neapel. Während der Woche lief ich barfuß durch den Hafen und die Gassen, und sonntags zog Gina mir meinen einzigen Anzug an, und wir gingen zur Kirche. Das ging eine Weile gut, und wir waren zufrieden, wir beide. Doch der Arm der Familien ist lang, und ihre Hände sind groß. Irgendwann klebte ich an einem der Finger dieser Hände. Mit fünfzehn gehörte ich zu den scippatori, ich rollte mit meinem Mofa durch die Gassen und entriß in voller Fahrt den Touristen die Taschen. Ernesto war nicht nur mein Chef, er war mein Held. Er nahm von den Reichen und gab den Armen. Im Viertel war er beliebt, und wer Probleme hatte, ging zu ihm und erbat seinen Rat oder seine Hilfe. Er verliebte sich in Gina, und sie heirateten. Damit war meine Gassenjungenzeit vorbei, und ich ging wieder regelmäßig zur Schule und später zur Universität. Ich ging auch weiter jeden Sonntag zur Kirche. Aber ich tat auch andere Dinge. Dinge, mit denen Ernesto mich beauftragte.«
    Sie wandte ihm langsam ihr Gesicht zu. In ihren Augen stand offene Angst. »Hast du für ihn getötet?«
    »Nein, das nicht. So tief ist Ernesto nicht gesunken. Jeder weiß, daß es Clanchefs in Neapel gibt, die Kinder als Killer losschicken. Nirgends in Europa ist der Anteil von Kindern am Schwerverbrechen so hoch wie hier. Aber Ernesto hatte ehrgeizigere Pläne mit mir. Aus dem scippatori -Boß war einer der reichsten und mächtigsten Männer der Stadt geworden. Er war in ein Geschäft eingestiegen, das diesen Reichtum stetig wachsen ließ.«
    »Drogenhandel.«
    »Ja. Mit fünfundzwanzig koordinierte ich bereits einen Teil des Deutschlandimports für ihn. Hauptsächlich hatte ich in Frankfurt zu tun, da ist der größte Umschlagplatz. Irgendwann lernte ich deinen Bruder kennen. Damals war er noch ein Junge, aber er fing schon mit dem Dealen an.«
    Johanna fuhr hoch. »Du kanntest ihn?«
    »Seit fünf Jahren. Er war einer meiner Hauptabnehmer.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein.« Abwehrend streckte sie die Hände aus, als er sich zu ihr beugte. »Nein«, wiederholte sie, wimmernd wie ein kleines Kind, mit beiden Fäusten auf ihn einschlagend.
    Er fing ihre Hände ein und umklammerte sie mit eisernem Griff. »Du hörst zu, bis ich fertig bin«, sagte er mit wachsender Verzweiflung. »Als ich vor drei Jahren mein neues Leben anfing, wollte ich alles hinter mir lassen. All den Dreck und den Abschaum und den Sumpf, aus dem ich gekrochen war, mit Blutgeld an den Händen und dem Mörder meines Vaters als Gönner. Ich wollte das alles nicht mehr. Nie mehr. Ich wollte ein sauberes, ehrliches Leben, ich wollte schwitzen und meine Hände bewegen und abends ins Bett fallen mit dem Bewußtsein, tagsüber nichts getan zu haben, dessen ich mich je schämen müßte. Die meisten haben es akzeptiert, sogar Ernesto. Gina sagt, sein Herz wäre gebrochen, er liebte mich wie seinen Sohn. So oder so, er ließ mich in Ruhe. Aber es gab auch Leute, die an mir dranblieben und mir das Leben zur Hölle machten. Dein Bruder war einer davon. Er hat mich erpreßt, immer wieder. Ich habe gezahlt. Als er hochging, bezahlte ich ihm den besten Anwalt, der aufzutreiben war. Als er sich nach Holland absetzen wollte, gab ich ihm Geld. Viel Geld.«
    »Du lügst!« Mit einem Ruck entriß sie ihm ihre Hände und preßte sie sich gegen die Ohren. »Sei still! Ich will es nicht hören!«
    Er umfaßte ihre Hände, drückte sie vor ihrer Brust zusammen und hielt sie unbarmherzig fest. »Es ist wahr. Jedes Wort davon ist wahr. Und weißt du, womit er mich erpreßt hat? Nicht etwa damit, mich wegen Drogenhandels anzuzeigen. Gott bewahre, da wäre er ja selbst aufgeflogen. Nein, er hatte ganz schnell heraus, womit er mich viel besser kriegen konnte. Kannst du es raten, Johanna? Was glaubst du, warum ich ihm Geld gab, damit er den Mund hielt?«
    »Warum?« fragte sie tonlos.
    »Deinetwegen«, erwiderte er schlicht. »Ich wollte um nichts in der Welt, daß du diese Dinge über mich erfährst. Ich wollte, daß du mich so siehst, wie ich mich selbst gern gesehen hätte. Ich wollte dich. Von Anfang an wollte ich nur dich.«
    Sie wußte plötzlich, daß es stimmte. Sie erinnerte sich an seine Blicke, die

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