Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Barcelona 02 - Das Spiel des Engels

Titel: Barcelona 02 - Das Spiel des Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
Vom Netzwerk:
vergnügen, deren Anwesenheit in den offiziellen Residenzen in Pedralbes zu unerwünschtem Gerede geführt hätte – wegen ihrer niederen oder ihrer vornehmen Abstammung. Als ich noch in Doña Carmens Pension wohnte, hatte Vidal mir das Zimmer mehr als einmal angeboten, falls ich, wie er sich ausdrückte, Lust hätte, eine Dame an einem Ort auszuziehen, der keine Angst macht. Ich nahm zwar nicht an, dass Cristina gerade dort Zuflucht gesucht hatte, falls sie überhaupt von dem Zimmer wusste, aber es war der letzte Ort auf meiner Liste, sonst fiel mir nichts mehr ein. Es dämmerte schon, als ich ins Hotel España kam und, mich meiner Freundschaft mit Señor Vidal rühmend, den Geschäftsführer zu sprechen begehrte. Als ich ihm die Aufnahme von Cristina zeigte, lächelte er mich höflich an, ein Kavalier von eisiger Diskretion, und sagte, schon vor Wochen seien »andere« Angestellte von Señor Vidal gekommen und hätten sich nach derselben Person erkundigt, und denen habe er dasselbe geantwortet wie mir. Er habe diese Señora hier noch nie gesehen. Ich dankte ihm für seine frostige Liebenswürdigkeit und ging niedergeschlagen in Richtung Ausgang.
    Als ich an den großen Scheiben zum Speisesaal vorüberkam, sah ich aus dem Augenwinkel ein vertrautes Gesicht. An einem der Tische saß der Patron, der einzige Gast im ganzen Saal, und tat sich an Zuckerwürfeln gütlich. Ich wollte rasch verschwinden, aber er wandte sich um und winkte mir lächelnd zu. Ich verfluchte mein Schicksal und winkte zurück. Da gab er mir ein Zeichen, ich solle mich zu ihm gesellen. Widerwillig ging ich in den Speisesaal.
    »Welch angenehme Überraschung, Sie hier anzutreffen, mein lieber Freund. Soeben habe ich an Sie gedacht«, sagte Corelli.
    Lustlos gab ich ihm die Hand.
    »Ich dachte, Sie wären nicht in der Stadt«, bemerkte ich.
    »Ich bin eher zurückgekommen als vorgesehen. Darf ich Sie zu etwas einladen?«
    Ich winkte ab. Er bedeutete mir, mich zu ihm an den Tisch zu setzen, und ich gehorchte. Seinem üblichen Stil treu, trug er einen dreiteiligen Anzug aus schwarzem Wollstoff und eine rote Seidenkrawatte. Untadelig wie immer, doch diesmal stimmte irgendetwas nicht. Ich brauchte einige Sekunden, bis ich dahinterkam – die Engelsbrosche steckte nicht an seinem Revers. Er folgte meinem Blick und nickte.
    »Leider habe ich sie verloren und weiß nicht, wo«, erklärte er.
    »Sie war hoffentlich nicht sehr wertvoll.«
    »Ihr Wert war rein sentimentaler Natur. Aber reden wir von wichtigeren Dingen. Wie geht es Ihnen, mein Freund? Ich habe unsere Gespräche sehr vermisst, auch wenn wir gelegentlich verschiedener Meinung waren. Gute Gesprächspartner sind schwer zu finden.«
    »Sie überschätzen mich, Señor Corelli.« »Im Gegenteil.«
    Ein kurzes Schweigen entstand, begleitet von diesem bodenlosen Blick. Da war es mir bedeutend lieber, wenn er seine banale Unterhaltung fortführte. Sobald er zu sprechen aufhörte, schien sich sein Aussehen zu verändern, und die Luft um ihn herum wurde dick.
    »Wohnen Sie hier?«, fragte ich, um das Schweigen zu durchbrechen.
    »Nein, ich wohne noch immer in dem Haus am Park Güell. Ich hatte einen Freund für heute Nachmittag herbestellt, aber offenbar verspätet er sich. Die Unzuverlässigkeit gewisser Leute ist bedauerlich.«
    »Ich vermute, es gibt nicht viele, die Sie zu versetzen wagen, Señor Corelli.«
    Der Patron schaute mir in die Augen.
    »Nein. Tatsächlich sind Sie der Einzige, der mir in den Sinn kommt.«
    Er nahm ein Stück Zucker und ließ es in seine Tasse gleiten. Ein zweites und ein drittes folgten. Er probierte den Kaffee und gab noch vier Stück dazu. Ein achtes steckte er sich in den Mund.
    »Zucker entzückt mich«, bemerkte er.
    »Sie zucken vor nichts zurück.«
    »Sie sagen so gar nichts über unser Projekt, lieber Martín. Irgendein Problem?«
    Ich schluckte.
    »Es ist fast fertig.«
    Das Gesicht des Patrons erstrahlte in einem Lächeln, dem ich nicht begegnen mochte.
    »Das ist wirklich eine gute Nachricht. Wann werde ich es bekommen?«
    »In zwei Wochen. Ich muss noch das eine oder andere überarbeiten. Aber das ist nur noch Feinschliff.«
    »Können wir ein Datum festlegen?«
    »Wenn Sie wollen …«
    »Wie wäre es mit Freitag, dem 23. dieses Monats? Würden Sie dann eine Einladung zum Abendessen annehmen, um den Erfolg unseres Unternehmens zu feiern?«
    Der 23. war in genau zwei Wochen.
    »Einverstanden.«
    »Also abgemacht.«
    Er hob seine zuckergesättigte Tasse, als

Weitere Kostenlose Bücher