Bator, Joanna
Rucksack
auf dem Rücken den Babel verlässt, ist Adas überzeugt. Er lässt den Kopf auf
die Brust hängen, in den Augen stehen ihm Tränen, im Koffer liegt ein Satz frischer
Wäsche und ein Stück Grüner-Apfel-Seife, damit er dort in Rom auch blitzsauber
ist. Die siegreiche Leokadia legt dem Sohn den Sicherheitsgurt an und fährt ihn
in ihrem Lada zum Breslauer Flughafen.
Jagienka Pasiak
ist enttäuscht, dass nur Edyta gekommen ist. Edyta ist immer auf Zustimmung
eingestellt, Irena hat sich in der letzten Zeit etwas ferngehalten, das macht
sie nervös. Sie braucht Publikum, um von dem Bruch mit Zbyszek zu erzählen, die
Sache in die richtigen Worte und Gesten zu kleiden. Es darf nicht zu dramatisch
klingen. Nein, sie muss es beiläufig fallen lassen, geradezu unwillig, ach, er
ist mir langweilig geworden, ich langweile mich ja so schnell. Ich brauche
immerzu neue Eindrücke, ich lebe geradezu von neuen Eindrücken, von starken
Eindrücken.
Jagienka und
Edyta trinken auf der Terrasse des Babel Wodka mit Himbeersaft und rauchen
Carmen. Rauch und rosa Flammen im Rachen, ein Wind, der den Rauch zurück in die
Himbeerschnäbel drückt. Sie spucken rosa Speichelblasen von der Terrasse des
Babel. Jagienka hat das Gefühl, dass sie fliegen könnte, wenn sie wollte, sich
über die Dächer von Piaskowa Göra erheben, sie singt leise: Reiß der Gitter Zähne aus den Mauern, während es Edyta ein bisschen übel ist. Als sie unten Dominika mit dem
Rucksack sieht, ist sie nicht ganz sicher, ob es nicht umgekehrt ist: Steht
sie vielleicht unten und Dominika mit dem Rucksack oben? Jagienka hat bessere
Augen, guck mal, sagt sie, Adas ist nicht an der Haltestelle. Er ist nicht gekommen.
Ich wusste, dass er nicht kommen würde! Oder sie haben sich auf dem Bahnhof
verabredet? Komm, schnell!
Jagienka
torkelt vor Lachen, sie zieht Edyta hinter sich her, die nicht weiß, was so
lustig ist, aber sie fängt auch an zu lachen und kann nicht aufhören. Sie
steigen in Jagienkas Fiat, Edyta muss hinten sitzen. Du bist betrunken, du
darfst nicht fahren, sagt Edyta, oder sie will es sagen, und das plötzliche
Anrucken des Autos bewirkt, dass sie die Worte unausgesprochen runterschluckt.
Im Rückspiegel sieht Edyta Jagienkas Augen, sie sind rosa wie der Speichel,
den sie von der Terrasse gespuckt haben, und Edyta bekommt Angst. Es sind nur
ein paar hundert Meter Schlangenlinie vom Babel, an der Bushaltestelle hält Jagienka
an und ruft: Dominika!
Jadzia kann
nicht stillsitzen, sie trippelt durch die Wohnung und zieht immer wieder etwas
anderes heraus, was Dominika bestimmt noch brauchen kann - noch einen Apfel,
guck mal wie schön rot, Taschentücher, einer der Ringe, die sie zurückgelegt
hat, falls mal schlechte Zeiten kommen. Sie soll ihn nur nehmen, bloß verlieren
soll sie ihn nicht und ihn auch nicht klauen lassen. Hat sie die neuen Pumps
eingepackt? Und das Sommerkleid von Oma Haiina? Vielleicht will sie sich ja
doch vor Zalesie im Zug umziehen und frisieren, der erste Eindruck ist so
wichtig. Sie soll nur nicht wie eine Wilde aus dem Zug steigen.
Jadzia wollte
mit ihrer Tochter zum Bahnhof fahren, aber das hat Dominika ihr ausreden
können. Jetzt lehnt sie sich aus ihrem Fenster im Babel und winkt der Tochter
hinterher, bis sie ihren Blicken entschwindet. Besser, sie lernt jetzt diesen
Juden aus Amerika kennen, als dass sie sich weiter mit diesem Kaplan Adas
herumtreibt. Jadzia bleibt in der verlassenen Wohnung zurück, und plötzlich
überkommt sie die brennende Gewissheit, dass ihre Tochter nie mehr hierher
zurückkehren wird. Sie setzt sich auf ihre Couch und sieht die Jahre, die ihr
hier noch bevorstehen, Jahre, in denen sie auf diesem Platz in dieser Haltung
sitzen wird, Jahr um Jahr. Und das ist alles? fragt sich Jadzia verwundert.
Dominika denkt
nicht an Jadzia, sie rennt zur Bushaltestelle, wo Adas bestimmt schon auf sie
wartet. Sie hatte so lange getrödelt, er wird noch meinen, sie kommt nicht, sie
muss sich beeilen. Bei Tagesanbruch werden sie in Zalesie sein, aber sie werden
warten, bis es richtig Tag wird, dann erst werden sie zu Zofias Haus gehen,
nicht durchs Dorf werden sie gehen, sondern auf dem Umweg durch den Wald, ganz
gemächlich. Die Oma wird das sicher verstehen. Dominika wird Adas den Stein
mit den Namen der Urgroßeltern Strak zeigen. Bestimmt sind schon die Himbeeren
reif, die an dieser Stelle am süßesten sind, groß und glänzend wie Tropfen. Die
Leute aus dem Dorf pflücken sie nicht, aber
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