BattleTech 21: Kalkuliertes Risiko
gehalten hätte. »Ich verstehe. Keiner von uns nimmt es Ihnen übel, daß Sie die Chance wahrgenommen haben, Lebewohl zu sagen.« Er blickte sich zu den frisch aufgeschütteten Erdhaufen um, die den grünen Friedhofsrasen bedeckten. »Wir haben vielen unserer Toten Lebewohl gesagt, den erst kürzlich verstorbenen ebenso wie denen, die schon lange von uns gegangen sind.«
Kai zog es wieder die Kehle zusammen. »Mein Vater und ich, wir haben uns verstanden – oder zumindest er hat mich verstanden. Ich habe immer geglaubt, daß er mir zu meinem Besten etwas vorgespielt hat, wenn er sagte, er wäre stolz auf mich, ohne es wirklich tief im Innersten zu glauben.« Kai klopfte sich auf die Brust. »Nach Alyina und allem, was ich dort erreicht hatte, glaubte ich, ihm endlich Grund gegeben zu haben, wirklich stolz auf mich zu sein, und dann…«
Phelan schloß halb die Augen, und seine Miene gefror. »Ich bin sicher, er wäre stolz gewesen. Ich hatte vor kurzem einen Anlaß, Alyina zu besuchen. Jadefalken und Wölfe sind Rivalen und behandeln einander mit kaum verhohlener Verachtung. Als ich Taman Malthus traf, den Garnisonskommandeur Alyinas, ermöglichte mir die Erwähnung deines Namens das Gespräch mit ihm. Im Gegenzug für das Versprechen deines Onkels Daniel, nicht anzugreifen, gab uns Malthus, was wir brauchten. Er hat es einfach nur aus Respekt für dich getan. Was immer du auf Alyina getan hast, es hat ihn mächtig beeindruckt.«
»Taman Malthus ist ein guter Mann. Ich würde ihm jederzeit mein Leben anvertrauen. Auf Alyina habe ich es getan, und er hat mich nicht enttäuscht.« Kai blickte von Phelan zu Morgan. »Aber meine Taten auf Alyina oder im übrigen Clankrieg waren nichts im Vergleich zu den Wundern, die mein Vater vor fünfundzwanzig Jahren gewirkt hat. Trotzdem denke ich, daß er zufrieden gewesen wäre.«
»Väter sind auf alles stolz, was ihre Söhne tun, Kai. Ich weiß, daß ich es bin.« Morgan klopfte Phelan auf die Schulter. »Ihr Vater hätte sich über Ihre Abenteuer auf Alyina gefreut, und ebenso über Ihre Erfolge auf Solaris. Sie haben seinen Rekord gebrochen, und soweit ich das verstehe, hat sein Stall unter Ihrer Leitung eine beachtliche Anzahl von Siegen verbucht.«
Kai nickte respektvoll. Mein Vater hätte sich über meine Leistungen gefreut, aber wäre er auch stolz darauf gewesen, daß ich mich auf Solaris verstecke? »Der Krieg gegen die Clans hat viel verändert. Ich möchte glauben, daß ich mich zum Besseren verändert habe, aber das ist schwer zu sagen.«
Phelans Züge entspannten sich, aber Kai bemerkte, wie er sich innerlich zurückzog. »Der Krieg bringt Veränderungen, die man zum Teil sicher bedauern muß. Wegen des Krieges bin ich von meiner Familie abgeschnitten. Allein mein Besuch hier, um dem Begräbnis meiner Mutter beizuwohnen, machte es notwendig, Prinz Victor Davion über den Präzentor Martialum ComStars ein Gesuch um die Erlaubnis meiner Anwesenheit als Repräsentant Clan Wolfs zu senden. Nach dessen Zustimmung übermittelte ComStar den Antrag an den ilKhan zur Begutachtung. Ich wünschte, es wäre anders, aber ich weiß, daß dem nicht so sein kann. Ich bin sicher, dir geht es ähnlich.«
»Ich habe Kameraden und Freunde verloren, ja.« Kai zögerte einen Moment, als das Bild Deirdre Lears vor sein inneres Auge trat. »Es gibt Zeiten, in denen uns die Lektionen des Krieges von denen trennen, die wir lieben. Wir können in einer Art Frieden leben, indem wir die Gültigkeit dieser Lektionen abstreiten, aber die Wahrheit steckt uns in den Knochen wie eine Infektion, und irgendwann bricht sie ohne Vorwarnung aus und zerstört unser Leben.«
Einen Pulsschlag lang zuckte ein undefinierbarer Ausdruck über Phelans Gesicht, dann nickte er. »So sehr wir uns das auch wünschen mögen, Kai, wir können nie wieder die Menschen sein, die wir vor dem Krieg waren. Und wir sollten uns das auch nicht wünschen. Der Krieg hat uns von allen Äußerlichkeiten gereinigt. Er hat uns wieder zu dem gemacht, was wir sind, dazu, wozu wir geboren wurden. Wir können dem nicht den Rücken kehren, denn wenn wir es tun, wird jemand kommen, der es gegen uns ausnützt.«
Kai erwiderte Phelans ruhigen Blick und fühlte das unausgesprochene Band der Seelenverwandtschaft zwischen ihnen. Gleichzeitig wußte er, wie verschieden der Weg war, den sie gehen mußten, um sich selbst gerecht zu werden. Phelan lebte in einer Kultur, die kriegerisches Können und Wagemut über alles andere stellte, und konnte
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