Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
mehrere Wege, über die der Täter unbemerkt zum Alleenhof gelangt sein könnte, da wäre er doch blöd, mitten durch das Kaff zu fahren. Es musste ihm doch klar sein, dass er dort auffällt. Es sei denn, die Tat wurde spontan ausgeführt.«
»Glaub ich nicht. Denkt nur an den Flaschenzug.«
»Ich auch nicht«, gab Steinrausch Siran Recht. »Andererseits liegt hinter den Häusern nur der Alleenhof. Wo sollte der Fahrer also hingefahren sein? Nach Schleidweiler führen bessere Straßen, es sei denn, ein Betrunkener nutzt den Feldweg als Promilleweg. Und wozu hätte er wieder zurückkommen sollen?« Er stand auf und ergänzte das Tafelbild um ein stilisiertes Auto mit Fragezeichen. »Nun zu Bösen.«
»Als ich auf seinem Hof angekommen bin, übrigens ist der Laden ziemlich runtergekommen, hat er sich zunächst geweigert, mit mir zu reden.« Steinrausch setzte sich wieder. »Wie abgesprochen habe ich daher gedroht, ihn vorführen zu lassen, woraufhin er eingelenkt hat. Der Mann ist wirtschaftlich fertig und schiebt die Schuld auf Görgen. Er hat wie ein Irrer herumgebrüllt und behauptet, die Pestizide seien von Görgen selbst gekommen. Außerdem verdächtigt er Roland Görgen des Betrugs, da er sich nicht vorstellen kann, wo das Geld für dessen Lebensstil herkommen soll. Ein Stück weit gebe ich ihm da Recht, denn die Verdienste der Landwirte sind deutlich gesunken. Ihr kennt ja alle die Diskussion um die Milchpreise.«
»Beweise?«
»Natürlich nicht, wahrscheinlich sucht er einen Sündenbock für sein eigenes Versagen. Laut Akten ist er gegen Görgen handgreiflich geworden und hat ihn vor dem Gericht fast vor einen Bus gestoßen. Ich habe ihn darauf angesprochen, und er hat behauptet, er sei provoziert worden. Görgen hätte ihn als Verlierer verhöhnt.«
»Wie sieht es mit einem Alibi aus?«
»Er hat keins. Seine Frau ist am Mordabend im Kino gewesen, er war allein zu Hause.«
»Welchen Eindruck hast du?«
»Der Mann steht mit dem Rücken zur Wand und ist hochaggressiv. Er wohnt in der Nähe, kennt sich also aus und hat ausreichend Kraft und Gelegenheit, um die Aktion durchzuziehen. Über das Motiv müssen wir auch nicht spekulieren.«
Lichthaus wandte sich an Brauckmann: »Was denken Sie?«
»Durchsucht den Hof nach Indizien. Ich stelle euch den Schein aus.«
*
Es dauerte lange, dann knackte es in der Leitung und die Verbindung wurde hergestellt.
»Hello?«
»Guten Tag, Frau Underwood.« Lichthaus hatte die sechs Stunden Differenz zur Eastern Standard Time abgerechnet. In Charlotte, North Carolina, war heller Tag, während in Trier die Dämmerung anbrach. Die Weinberge am Petrisberg verschwanden langsam in der beginnenden Dunkelheit und wurden vom beleuchteten Fernsehturm, der in den Himmel aufragte, abgelöst.
»Lassen Sie mich raten«, sie wechselte ins Deutsche, »Sie sind von der Polizei.«
»Gut erkannt.«
»Alex hat mich vorgewarnt. Was kann ich für Sie tun?« Ihre Stimme klang befremdend neutral. Keine Nuance, nicht zu hoch nicht zu tief, einfach nichts, was sie von der Telefonansage in einem beliebigen Callcenter unterschieden hätte.
»Nun, wir erfassen im Augenblick die Familienverhältnisse und das Umfeld, um erste Ansatzpunkte zur Aufklärung des Verbrechens an Ihrem Vater zu sondieren.«
»Und da rufen Sie mich hier in den Staaten an? Ich war seit vier Jahren nicht mehr drüben.«
»So lange schon?«
Sie stutzte. »Ja.«
Eine Pause entstand, die Lichthaus geduldig abwartete. Er hatte einen wunden Punkt bei Anne Underwood berührt.
»Wie war denn das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Vater?«
»Da war keins. Als kleines Mädchen habe ich ihn bewundert, später ist er mir nur auf die Nerven gegangen. Ich bin schließlich freiwillig ins Internat, raus aus dem ganzen Dreck. Wissen Sie, der ganze Knatsch und Mutters Sauferei sind mir zuwider, und ich halte deshalb Distanz. Ab und zu telefoniere ich mit Alex, und zu Weihnachten eine Karte an alle, das war’s.«
»Was ist mit Alexander und Roland?«
Sie atmete hörbar aus. »Sie wurden geboren, um zu streiten. Ewig geht das schon und Alex verliert immer. Flüchtet sich in Glauben und Familie, doch ich denke ohne Erfolg.«
»Glauben?«
»Ja, er hat sich Gott zugewendet. Als er letztes Jahr hier zu Besuch gewesen ist, ist er dauernd in die Gottesdienste einer Freikirche gelaufen und anschließend immer sehr entrückt gewesen.«
»Inwiefern war ihm das wichtig?«
»Weiß ich nicht. Fragen Sie ihn selbst.«
»Viele
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