Begierde
aus der Jackentasche, schaltete es ein und legte es auf den Nachttisch.
Im Badezimmerschrank suchte er erfolglos nach einer Kopfschmerztablette und entschloss sich kurzfristig zu einer Dusche. Das Wasser schoss in kaltem Strahl auf ihn herab, bis er es nicht mehr ertrug. Er brauste sich warm ab, dann setzte er sich im Pyjama vor den Fernseher. Was er jetzt brauchte, war Ablenkung. Vickys Bild schien vor seinem inneren Auge wie eingebrannt. Ihre vollen nackten Brüste, ihre prallen Brustwarzen, der enge Stoff um ihre Taille, ihre langen schlanken Beine … es war eine Erlösung, als auf einmal das Handy klingelte.
»Ja?«
»Na endlich nimmst du mal ab, Marco – natürlich wollten sie mir am Telefon nicht allzu viel sagen, aber ich habe gleich heute einen Termin erhalten und bin hingefahren.«
»Wovon sprichst du, Antonio? Weißt du eigentlich, wie spät es ist?«
Antonio überging Marcs vorwurfsvollen Unterton. »Na – das Heiratsinstitut. Ich habe dort angerufen, nachdem du den Verdacht geäußert hast, sie könnten illegalen Mädchenhandel mit Asiatinnen betreiben. Aber es ist alles in Ordnung. Stell dir vor …«
Die neuesten Informationen sprudelten in einem ungebremsten Wortschwall aus Antonio heraus und mit jedem Satz wurde Marc hellhöriger. Dieses Heiratsinstitut war in der Tat anders als alle anderen, mit äußerst interessanten Aspekten. Etwas völlig Neues, Ungewohntes, und auf einmal reifte in Marc eine Idee. Das war es! Jetzt wusste er, was er zu tun hatte. Er würde Vicky auf den rechten Weg bringen und ihr den Ehemann verschaffen, den sie verdiente. Ihrem liederlichen Treiben würde er ein Ende bereiten.
Ein zynisches Lächeln spielte um seine Lippen und er fühlte sich mit einem Schlag besser und ruhiger. Seine Kopfschmerzen waren wie weggeblasen. Vicky brauchte eine gehörige Portion Erziehung, damit sie ihrem Künftigen nicht auf der Nase herumtanzte, und er wusste jetzt, wo sie die erhalten würde. Sie würde ihren bisherigen Lebenswandel noch bereuen.
»Das sind hervorragende Nachrichten, mein Freund. Morgen, Antonio, ich komme morgen nach Hause«, war seine Antwort auf Antonios abschließende Frage, ehe er zufrieden auflegte.
Der Verlust der Freiheit
Der Abend war amüsant gewesen, ganz nach Vickys Geschmack. Marc hatte sie nicht wiedergesehen, obwohl sie sich nach ihrer Begegnung vor einer Woche instinktiv immer wieder umgeschaut hatte, ob er sie noch mal heimlich observierte. Amüsiert hatte sie seinen plötzlichen Abgang in der Disco zur Kenntnis genommen und ging erleichtert davon aus, dass er abgereist war. Es war unvorstellbar, wie nahe sie sich einmal gestanden hatten. Jetzt war es ihr lieber, er war fort, weit fort. Für immer und ewig fort aus ihrem Leben. Sie musste ihn endlich vergessen, auch wenn das leichter gesagt als getan war.
Ihre augenblickliche Arbeitslosigkeit gab Vicky mehr Zeit als sonst, die nächtlichen Ausflüge auszudehnen und zu genießen. Schließlich musste sie nicht früh aufstehen, sondern durfte solange schlafen, wie sie wollte. Sie hatte ein paar Absagen erhalten, die sie aber gelassen hinnahm, da weitere Bewerbungen unterwegs waren und die Aussicht bestand, zum nächsten Ersten bei einer Airline als Stewardess engagiert zu werden. Sicher war es zwar noch nicht, aber ihr ungebrochener Optimismus hatte sich bislang immer bewährt.
Sie genoss den ausgedehnten Schönheitsschlaf, ein ausgiebiges Bad, das Eincremen und Pflegen ihres Körpers, ihre Nägel zu maniküren und in den Tag hinein zu träumen. Jedenfalls galt es, die freie Zeit bis dahin zu nutzen, hauptsächlich damit, des Abends Männer zu verführen und zu demütigen. Wie eingebildet die meisten doch waren! Sobald eine hübsche Frau auf ihre Flirtversuche einging, glaubten sie, sie würden von ihr angehimmelt und wären die Götter auf Erden. Vickys Mund nahm einen verächtlichen Zug an. Sie zeigte ihnen, dass sie allesamt Trottel waren. Es war ihre persönliche Rache …
Und dann war plötzlich alles anders. Die Demütigung begann bereits kurz nach Vickys Ankunft. Mehr als einmal hatte sie das Gefühl, ihr Herz müsse jeden Moment vor Angst und Schamgefühl aussetzen und sie ohnmächtig zu Boden sinken lassen. Aber diese Gnade wurde ihr nicht gewährt. Ihr Kreislauf war viel zu stabil, um zusammenzubrechen.
Es musste sich um eine Verwechslung handeln, was sonst. Wer sollte auf die Idee kommen, sie zu entführen? Zwar berichteten die Medien immer wieder mal, dass Mädchen oder junge Frauen
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