Begierde
Appartement.
Zügellosigkeit
Das Joey’s lag zentral und erstreckte sich über eineinhalb Stockwerke. Im Erdgeschoss befand sich in der Mitte die Musikanlage, die alle zwei Stunden von einem anderen Dj bedient wurde, um für Abwechslung zu sorgen. Drumherum war eine großzügige Tanzfläche angelegt, an zwei gegenüberliegenden Wänden Bars, an einer Seite gab es gemütliche kleine Sitznischen, an der vierten Wand einige Bistrotische und eine Metalltreppe, die zur Empore führte. Die Fläche wurde von mehreren Pflanzenkübeln unterbrochen, in denen Palmen wuchsen, die sich fast bis zur oberen Etage erstreckten. Rundum auf der Empore waren genügend Stehplätze und auch hier Bistrotische mit Barhockern zum Verweilen aufgestellt, und man konnte über die Metallbrüstung nach unten auf die Tanzfläche schauen.
Eigentlich war diese Mischung aus Bar und Disco nichts Besonderes. Trotzdem war das Joey’s gut besucht, seit es von den Stars einer Vorabendserie zu ihrem Kultlokal auserkoren worden war. Inzwischen ließen diese sich zwar nur noch selten blicken, auch das Publikum war mittlerweile ein wenig älter geworden, der Grundstock war jedoch gelegt und das Joey’s wegen seiner ausgewählten Musik und seiner guten Citylage weiterhin beliebt.
Marc bestellte sich ein Bier, lehnte sich an einem der Tische auf und sah sich um. Die meisten Gäste waren Anfang bis Ende Dreißig, einige auch älter. Eigentlich hatte er ein jüngeres flippiges Publikum erwartet, das eher Vickys Alter entsprochen hätte. Er verstand nicht, was sie ausgerechnet hierher zog. Außerdem schien es ihm, als ob nur Pärchen unterwegs waren, aber keine Singles.
Da entdeckte er Vicky. Schräg gegenüber von ihm flirtete sie während des Tanzens heftig mit einem Mann, der sich auf der Tanzfläche ein wenig unbeholfen drehte. Vorsichtig schob er sich durch die Menge näher zu ihr und bezog Stellung hinter dem dicken Stamm einer Palme. Er hoffte, dass sie ihn in dem diffusen Licht nicht entdecken würde.
Vicky trug ein eng anliegendes knallrotes Kleid und rote Stilettos. Das Kleid spannte über ihren Formen. Der Ausschnitt war so tief, dass ihre Brüste fast herausfielen. Marc hielt den Atem an. Sie war wunderschön und konnte es sich leisten, ihre Reize zu zeigen. Dennoch hätte er sich gewünscht, dass sie nicht so offenherzig herumlaufen würde. Wie war es nur möglich, dass sie sich derart verändert hatte? Als junges Mädchen hatte sie ihn oft um Rat gefragt, war eher schüchtern mit ihrer erwachenden Weiblichkeit umgegangen.
Es gelang ihm nicht, seinen Blick zu kontrollieren. Automatisch folgten seine Augen dem Ausschnitt, den Rundungen und blieben an ihren Brustwarzen hängen, die sich prall und nahe am Rande des Stoffes durch das feine Gewebe abzeichneten. Er biss sich auf die Unterlippe. Vickys Gegenüber war ein durchaus attraktiver Mann, etwa Anfang bis Mitte vierzig. Er hätte fast ihr Vater sein können. Was reizte sie nur an dem Typen, der beim Tanzen beide Hände fest an ihre Taille presste? Für einen Moment fiel ihm wieder ein, wie sie dem Notar ihre Telefonnummer gegeben hatte. Unglaublich. Sie lächelte den Fremden geradezu herausfordernd an. Was sie sprach, konnte Marc infolge der lauten Musik nicht hören. Langsam glitten die Hände des Mannes höher, legten sich im Schutze der engen Nähe auf Vickys Brüste. Marc verspürte einen Stich in der Herzgegend. Seine Vicky, berührt von einem Kerl, den sie vermutlich nicht einmal kannte. Das war bitter. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da waren sie sich ähnlich nah gekommen, er und Vicky. Da hatten sich ihre Körper berührt, jedoch ohne den Anstand zu verletzen.
Vicky hatte Marc längst entdeckt. Sie war nicht davon ausgegangen, dass er wirklich kommen würde und sie merkte, wie er sich bemühte, unentdeckt zu bleiben. Ihr Lächeln verstärkte sich. Seine Miene drückte Missbilligung aus, Verachtung, vielleicht sogar tiefen Schmerz. Sie würde ihm ein Schauspiel liefern, das ihm in Erinnerung bleiben würde und hoffentlich würde es ihr damit gelingen, ihn aus ihrem eigenen Gedächtnis zu löschen.
Früher einmal hätte sie sich gewünscht, dass er derjenige gewesen wäre, er sie anfasste und liebkoste. Aber das war lange her, bevor er sie eines Tages unrechtmäßig als Flittchen bezeichnet hatte. Dieser unselige Tag hatte alles zerstört, das unbegrenzte Vertrauen, das ihm entgegengebracht hatte, ihre gesamte reine Liebe. Sie fühlte unwillig, wie eine Woge unaussprechlichen
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